(ots) - Themenabend im Ersten, heute 23.9.2015: 20.15
Uhr: Meister des Todes, Spielfilm (SWR/ARD Degeto/BR) / 21.45 Uhr:
Tödliche Exporte. Wie das G36 nach Mexiko kam. Doku von Daniel
Harrich (SWR/BR)
Die Bundesregierung genehmigte dem Rüstungskonzern Heckler & Koch
Kriegswaffenexporte nach Mexiko auch nachdem schon bekannt war, dass
die Firma nicht - wie vorgeschrieben - nachweisen konnte, wo die
Waffen ankommen. Das ergaben SWR-Recherchen zu der Doku "Tödliche
Exporte - Wie das G36 nach Mexiko kam" (heute, 23.9.2015 um 21.45 Uhr
im Ersten). Das Bundesausfuhramt (BAFA) hatte bereits 2008 bei einer
Überprüfung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz in der
Heckler-&-Koch-Geschäftszentrale in Oberndorf am Neckar alarmierende
Unregelmäßigkeiten bei den ersten Exporten von G36 Sturmgewehren nach
Mexiko festgestellt. Das war zwei Jahre bevor die Staatsanwaltschaft
Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen illegaler Waffenexporte nach
Mexiko einleitete. Bei der Überprüfung der sogenannten
Kriegswaffenbücher stellten die Beamten "erhebliche Defizite" fest.
Die Prüfer entdeckten Lücken bei der Dokumentation der Endverbleibe
der G36: Es fehlten Empfangsbestätigungen der mexikanischen
Polizeieinheiten, an die Heckler & Koch laut "Endverbleibserklärung"
liefern wollte. Diese Unregelmäßigkeiten waren so gravierend, dass
das Bundesausfuhramt 2008 darüber eine Meldung an das übergeordnete
Bundeswirtschaftsministerium machen musste. Damit setzte das
Bundesamt die oberste Genehmigungsbehörde darüber in Kenntnis, dass
der Verbleib der G36 in Mexiko unklar war.
Das Bundeswirtschaftsministerium erteilte aber dennoch Heckler &
Koch auch weiterhin Genehmigungen zum Export von Kriegswaffen nach
Mexiko. Die letzte dieser Genehmigungen datiert auf den 13. April
2010. Sechs Tage später stellten der Freiburger Buchautor Jürgen
Grässlin und der Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer Strafanzeige
wegen der G36-Exporte nach Mexiko. Holger Rothbauer erweiterte 2012
die Anzeige gegen Beamte im Bundeswirtschaftsministerium. Im
Interview mit dem SWR sagt er dazu: "Es könnte sich um Beihilfe zum
Verstoß nach dem Außenwirtschaftsgesetz handeln. Es könnte sich aber
auch um Vorteilsannahme und um Urkundenfälschung im Amt handeln." Der
Ministerialrat, der für die G36-Ausfuhrgenehmigung verantwortlich
war, gab gegenüber der Staatsanwaltschaft Stuttgart an, dass der
Endverbleib der Kriegswaffen vor Ort nicht durch die Bundesregierung
kontrolliert werde. Das geht aus dem Vernehmungsprotokoll hervor, das
der ARD vorliegt. Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher
der SPD-Bundestagsfraktion, teilte der ARD mit: "Es bestätigt sich,
dass es eine ganze Reihe Probleme gegeben hat. Das
Genehmigungsverfahren ist insgesamt kritikwürdig. So hätte es nie
laufen dürfen und es darf sich nicht wiederholen."
Agnieszka Brugger, die Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss
erklärte dazu im Interview: "Diese Dokumente und diese Details
belegen, dass sowohl Mitarbeiter aus dem Auswärtigen Amt als auch aus
dem Bundeswirtschaftsministerium wirklich fast fahrlässig oder
willfährig sich zum Helfer der Rüstungsindustrie gemacht haben und da
müssen auch personelle Konsequenzen gezogen werden und da muss man
auch schauen, wie man dafür Sorge trägt, dass so etwas nie wieder
vorkommt." Jan van Aken (Die Linke), Mitglied im Auswärtigen
Ausschuss, sagte der ARD gegenüber: "Wenn man sich das Protokoll
anschaut, hat man ja das Gefühl, da sitzen richtige Helfershelfer
oder sogar Mittäter in den Behörden. Ich möchte wissen - und zwar mit
Namen und Dienstgrad - wer sitzt wo im Ministerium, der sich an
diesem schmutzigen Geschäft beteiligt hat."
In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der ARD, räumte
Heckler & Koch ein, das Unternehmen habe - trotz der verbindlichen
'Endverbleibserklärung' - "keinen Einfluss darauf, wohin die Waffen
letztendlich geliefert wurden." Weiterhin teilt Heckler & Koch mit:
"Zu Kleinwaffenexporten möchten wir generell festhalten, dass Heckler
& Koch sich als Hersteller von Waffen der besonderen Verantwortung
bewusst ist. Unsere unternehmerische Tätigkeit unterliegt den
bestehenden waffen- und ausfuhrrechtlichen Rechtsvorschriften der
Bundesrepublik Deutschland, an die wir uns strikt halten. Das
Verhältnis des antragstellenden Unternehmens zu den
Entscheidungsträgern im Genehmigungsverfahren wird durch die klaren
gesetzlichen Vorgaben des Antragsverfahrens bestimmt."
Das Bundeswirtschaftsministerium betont in einer schriftlichen
Stellungnahme der ARD gegenüber, dass sie "seit 2010 die Genehmigung
von Anträgen von Heckler & Koch für den Export von Kleinwaffen nach
Mexiko ausgesetzt" habe. Weiter heißt es in der Stellungnahme: "Seit
2010 ist die Vorlage von Empfangsbestätigungen für den Erhalt von
Waren für alle Exporteure von Kriegswaffen zudem eine allgemeine
Genehmigungsauflage. Seit 2010 ist somit die nachträgliche Vorlage
von Empfangsbestätigungen zusätzlich zu den Endverbleibserklärungen
Teil des Genehmigungsverfahrens."
Die Zuverlässigkeitsprüfung von Heckler & Koch durch das
Bundesausfuhramt und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern
an.
Themenabend im Ersten: Mittwoch, 23. September 2015 20.15 Uhr:
"Meister des Todes", Spielfilm (SWR/ARD Degeto/BR) 21.45 Uhr:
"Tödliche Exporte. Wie das G36 nach Mexiko kam". Doku von Daniel
Harrich (SWR/BR)
Die multimediale Webdoku ist unter toedlicheexporte.de zu finden.
Pressekontakt: Annette Gilcher, Tel. 07221 929-24016,
annette.gilcher(at)swr.de