(ots) - Meldungen über Streitigkeiten und Schlägereien in
Flüchtlingsunterkünften mehren sich. Es sei jedoch falsch, als Grund
für die Auseinandersetzungen religiöse und ethnische Spannungen
zwischen den verschiedenen Gruppen von Asylbewerbern verantwortlich
zu machen, schreibt der Münchner Psychoanalytiker Wolfgang
Schmidbauer in einem Beitrag für die in Berlin erscheinende
Tageszeitung "neues deutschland" (Dienstagausgabe). Aus den
Konflikten die Gefahr eines "drohenden Bandenkriegs unter
Flüchtlingen an die Wand zu malen, ist ungefähr so einsichtsvoll, wie
aus einer Schlägerei zwischen deutschen Skinheads und türkischen
Jugendgangs einen bevorstehenden Krieg zwischen Deutschen und Türken
zu beschwören".
Die Flüchtlinge hätten sich während ihrer Flucht wochen-,
teilweise sogar monatelang in psychischen Extremsituationen befunden,
seien mit "Brutalität, Hunger, Durst, sexuellem Missbrauch, dem Tod
von Angehörigen" konfrontiert worden. Diese Situationen hätten die
Menschen zu geistigen und körperlichen Höchstleistungen gezwungen, so
Schmidbauer. Es sei eine vollkommen normale Reaktion der menschlichen
Psyche, dass erst in der Phase der Ruhe und des Friedens
Stresssymptome wie leichte Reizbarkeit und erhöhte Gewaltneigung
auftreten. Flüchtlinge, so der Psychoanalytiker weiter, seien "auch
nicht gefährlicher als der deutsche Bürger, wenn sie nach einigen
Wochen Erholungszeit die Chance erhalten, an der Gesellschaft
teilzuhaben, in die sie gekommen sind. Menschen, denen Abstand
voneinander unmöglich gemacht wird, können ihre Aggressionen immer
schlechter kontrollieren."
Eine Trennung der Flüchtlinge nach Herkunftsländern oder
Konfessionen sei deshalb der falsche Weg, um die Konflikte in den
Griff zu bekommen. Klare Regeln sowie eine schnelle und angemessene
Reaktion auf Regelverstöße seien ausreichend, um der
Aggressionsprobleme in den Flüchtlingsunterkünften Herr zu werden.
Pressekontakt:
neues deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1715