(ots) - Erdogan stand nicht zur Wahl und hat sie dennoch
gewonnen. Der Präsident erwartete schon bei der Parlamentswahl im
Juni eine souveräne Mehrheit für die ihm handzahm ergebene
Regierungspartei, auf dass sie ihm möglichst umgehend eine neue
Verfassung zu Füßen lege. Deren Kernpunkt: ein allmächtiges
Staatsoberhaupt mit präsidialem Durchgriff, ein bisschen nach
französischem, ein wenig auch nach russischem Vorbild. Vor allem aber
als wahr gewordener Traum einer Renaissance glorreicher osmanischer
Zeiten - Erdogan als der Repräsentant einer selbstbewussten
Regionalmacht im 21. Jahrhundert. Selbstbewusster waren aber bereits
seine Bürger geworden und hatten sich im Juni in größerer Zahl
erlaubt, anders zu denken und auch zu wählen, als Vordenker Erdogan
das erwartet hatte. Also beschloss er, ihnen die Instrumente zeigen:
De-facto-Krieg im kurdischen Südosten, brachialer Abbruch des von ihm
selbst begonnenen Dialogs mit der kurdischen Guerilla,
Massenverhaftungen, Zensur ... Es gibt keinen Beweis dafür, dass
Erdogans Leute etwas mit dem furchtbaren Terroranschlag von Ankara zu
tun hatten. Instrumentalisiert hat er das danach unweigerlich
entstandene Klima der Angst aber ohne zu zögern. Speziell Kurden und
Linke wurden für Gewalt und Unsicherheit verantwortlich gemacht. Die
Rechnung mag riskant gewesen sein, aber sie ist aufgegangen. Nach der
Saat der Gewalt ist jetzt Erntezeit für Erdogan.
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