(ots) - An rhetorischer Wertschätzung fehlt es nicht.
"Alle ehrenamtlich Tätigen sind ein Segen für unser Land" hat Horst
Seehofer zum Beispiel im September 2014 gesagt. Seit Januar 2014 ist
die Förderung des Ehrenamtes sogar als Staatsziel in der Bayerischen
Verfassung festgeschrieben, es gibt eine Ehrenamtskarte, regelmäßig
werden besonders Engagierte mit dem Bayerischen Ehrenamtsnachweis
ausgezeichnet. Doch die wahre Wertschätzung dessen, was viele
Menschen täglich freiwillig und unentgeltlich leisten, zeigt sich
darin, was passiert, wenn diese Hilfe die Helfer an ihre Grenzen
stoßen lässt. Das gilt umso mehr, wenn es dabei um Hilfe geht, die
über Leben oder Tod entscheiden kann. Die Struktur des bayerischen
Rettungsdienstwesens ist schon länger in der Kritik. Für THW und
Feuerwehr gibt es ein Gesetz, das regelt, dass sie von ihrem
Arbeitgeber freigestellt werden müssen, wenn sie für einen Einsatz
angefordert werden. Für Helfer des BRK, aber auch für Malteser, ASB
und Johanniter gilt das nicht immer, auch wenn sie im Zweifelsfall zu
den selben Einsätzen fahren. In der Hilfe für die Flüchtlinge wirkt
diese Struktur entlarvend. Das THW, das per Gesetz "bei der
Bekämpfung von Katastrophen, öffentlichen Notständen und
Unglücksfällen größeren Ausmaßes" technische Hilfe leisten muss, baut
Zelte und Erstaufnahmeinrichtungen, teils in wochenlangen Einsätzen.
Hier arbeiten professionell ausgebildete Kräfte, die nur punktuell
benötigt werden, im Alltag regulären Berufen nachgehen und deshalb
als ehrenamtliche Helfer zählen. Aber: Für ihren Einsatz werden sie
von der regulären Arbeit freigestellt und bekommen weiterhin
Arbeitsentgelt. Ihren Arbeitgebern erstattet der Staat die
Ausfallzeit. Gleichzeitig aber fußt die Versorgung der Ankömmlinge
auf einer Vielzahl weiterer Helfer. Die sind zum Teil ebenso
professionell - die Einsatzkräfte der Sanitäts- und Hilfsdienste, zum
Beispiel. Lehrer, Ärzte und Juristen, die unentgeltlich in ihrer
Freizeit arbeiten. Studenten, die beim Fahrkartenkauf helfen. Oder
Senioren, die Kleider ausgeben. All sie bekommen für ihre Arbeit:
nichts. Auch dann nicht, wenn sie nicht nur in ihrer Freizeit
arbeiten. Wenn täglich mehrere hundert Flüchtlinge deutsche Grenzen
erreichen, versorgt, untergebracht und verteilt werden müssen, ist
das eine besondere Situation, in der viele Kräfte zusammenarbeiten
müssen. Das braucht Ehrenamt, das flexibel und unbürokratisch helfen
kann. Was private Initiativen, kirchliche und karitative Initiativen
hier in den letzten Monaten aufgebaut haben, ist beeindruckend.
Allerdings: Viele Helferkreise feiern in diesen Tagen Jubiläum,
manche schon das zweijährige. Die Ausnahmesituation wird zur
Normalität. Da braucht es staatliche Strukturen, die die
ehrenamtlichen Helfer entlasten. Kann der Staat diese Strukturen
nicht zur Verfügung stellen, dann muss er denjenigen, die sie an
seiner statt bereitstellen, mehr als rhetorische Anerkennung zukommen
lassen. Die Förderung des Ehrenamts ist Staatsziel. Wenn das mehr
sein soll als ein Satz auf dem Papier, dann muss die minimale
Konsequenz sein, dass niemand, der ein Ehrenamt ausübt, benachteiligt
wird. Das bedeutet, nicht nur in der Flüchtlingshilfe: Wenn der Staat
nicht auf Helfer verzichten kann, die auch während ihrer regulären
Arbeitszeit im Einsatz sind, muss er dafür sorgen, dass ihnen und
ihren Arbeitgebern dadurch zumindest kein Nachteil entsteht. Denn
momentan sind ehrenamtlich Tätige mehr als ein Segen für unser Land.
Sie sind unverzichtbar.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de