(ots) - Nach den Anschlägen von Paris werde in Europa
nichts so sein wie es war, heißt es allerorten. Es liegt wenig
Hoffnung in diesem Satz. Denn die bestimmenden Reaktionen auf die
Attentate der IS-Mörderbande sind altbekannt. Unter dem Ruf der
Verteidigung der Freiheit sammeln sich jetzt auch jene, die selbst
die Axt an Humanitas und Grundrechte legen oder auf irgendeine andere
Weise die Opfer politisch missbrauchen wollen. Ein großer Teil des
politisch-medialen Trosses folgt dabei einem Business as usual, das
aus schlechtester Erfahrung nicht lernen will. Wieder werden die
Toten eines Terroranschlags für die Freunde von Überwachung,
polizeilichem Bundeswehrmandat und innerer Aufrüstung zur
Handelsmasse - eingesetzt in einem schmutzigen Geschäft, das zwar
immer neue Methoden der Freiheitsbeschränkung hervorbringt, aber auch
diesen Anschlag nicht verhinderte. Wieder wird nach einem Anschlag
mit Kriegsrhetorik auf militärische Lösungen eingestimmt, die schon
in der Vergangenheit die Welt nicht friedlicher gemacht haben und
auch den Sumpf der Barbarei, der sich in den IS-Gebieten ausbreitet,
bisher nicht trocken legen konnten. Dass man dem »Islamischen Staat«
nicht mit Zureden wird beikommen können, ist so richtig, wie zur
Wahrheit gehört, dass andere die Welt mit ihrer Aufrüstung und
Geopolitik nicht sicherer machen. Wieder müssen nach einem
Terroranschlag die Muslime fürchten, zu einem Gegenkollektiv
gestempelt zu werden - gegen das Front zu machen sich dann »besorgte
Bürger« ebenso legitimiert fühlen dürfen wie Rechtsradikale bei ihren
Anschlägen auf Moscheen. Dabei liegt die Förderung der Islamophobie
sogar in der Logik der Mörder: Je stärker sie ist, desto
glaubwürdiger scheint das IS-Narrativ vom angeblichen Kampf des
Westens gegen die Muslime. Und sie richtet sich gegen jene, von denen
selbst viele vor der Gewalt von Dschihadisten flohen, und macht
Flüchtlinge so erneut zu Opfern. Auch die Stimmungsmache gegen
Flüchtende ist nicht neu. In der Anti-Asyl-Rhetorik, die nun noch
schärfer geworden ist, wird das ewige Zerrbild vom »Fremden«
aktualisiert, der immer und stets zur Bedrohung für ein angeblich
alteingesessenes Wir-Kollektiv werden könnte. Beängstigend ist die
Geschwindigkeit, mit der sich immer mehr Claqueure in rhetorischer
Kampfmontur dem Marsch in die falschen Reaktionen anschließen - vom
Kolumnisten, der mit grinsendem Smiley nach dem Massenmord von Paris
auf die Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte hofft bis zur Phalanx
der militärstarrenden »Grenzschützer« in der Union. Sie reden schon
im geistigen Ausnahmezustand - ein Ausnahmezustand, der schnell in
einen realen münden kann.
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