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Mittelbayerische Zeitung: Den Flüchtlingen sei Dank / Die CSU profitiert von der Massenflucht. Das kann man ihr nicht vorwerfen - ihren Tonfall schon. Leitartikel von Sebastian Heinrich

ID: 1304853

(ots) - Alle Jahre wieder: Kaum sind in den deutschen
Wohnzimmern die Weihnachtsglöckchen verklungen, schallt es aus den
CSU-Büros in Berlin. Schon Tage vor der Klausur ihrer
Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth läuten die Christsozialen
das neue politische Jahr ein - mit unüberhörbaren, metallisch harten
Tönen. Es geht seit ein paar Jahren oft um Zuwanderung, seit dem
letzten Jahr besonders um Flüchtlinge. Wie sollte es auch anders
sein: Kein Thema hat die Nation im Jahr 2015 so stark bewegt. Und
keine im Bundestag vertretene Partei hat von der hunderttausendfachen
Flucht nach Deutschland so stark politisch profitiert wie die CSU.
Das liegt daran, dass sich die bayerischen Konservativen beim Thema
Flucht und Asyl bestens als wahrhaft konservative Kraft profilieren
können - wenn man Konservativismus so versteht, wie es CDU und CSU
bis Beginn der 2000er Jahre getan haben. Die CDU ist, zumindest in
der Parteispitze, in ihrer Haltung gegenüber Asylbewerbern weit in
die Mitte gerückt: Angela Merkels Entschluss zur Grenzöffnung für
syrische Bürgerkriegsflüchtlinge Anfang September ist das
eklatanteste Symbol für diese historische Wende. Bei anderen Themen,
etwa beim Zuwanderungsgesetz, sind die Christdemokraten längst nach
links getrippelt. Dass die CSU diese Schritte nicht mitmacht, hilft
letztlich der gesamten Union. Denn die CSU-Traditionalisten halten
außerhalb Bayerns manchen sehr konservativen CDU-Sympathisanten davon
ab, auf dem Wahlzettel die AfD anzukreuzen. Politisch gesehen hat die
Flüchtlingsproblematik für die CSU einen angenehmen Nebeneffekt: Sie
stellt unangenehme Themen in den Schatten. Die historischen
Ereignissen des vergangenen Sommers und der schwelende Konflikt um
Abschottung und Obergrenzen hat viele Wähler vergessen lassen, dass
im Jahr 2015 zwei Lieblingsprojekte der Christsozialen peinlich




gescheitert sind. Die Pkw-Maut für Ausländer - das Thema, mit dem die
CSU im Wahlkampf 2013 ihre Anhänger elektrisierte - wird in dieser
Legislaturperiode wahrscheinlich nicht mehr umgesetzt. Und dass der
Europäische Gerichtshof sogar das Todesurteil für das Projekt
verkündet, ist nach wie vor gut möglich. Und auch das Ende des von
der CSU heiß geliebten Betreuungsgelds auf Bundesebene ist - trotz
aller anderslautenden Beteuerungen - eine politische Niederlage.
Klar, das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Idee des
Betreuungsgelds an sich verworfen - sondern nur festgestellt, dass
der Bund dafür nicht zuständig ist. Aber genau deshalb ist umso
fragwürdiger, warum besonders auf Bestreben der CSU Ministerialbeamte
und Parlamentarier so viel Arbeit in ein Gesetz gesteckt haben, das
es so nie hätte geben dürfen. Zwei Niederlagen in einem Jahr also.
Doch - der Flüchtlingskrise sei Dank - kaum jemanden interessiert es.
Dass die CSU von der Massenflucht nach Deutschland politisch
profitiert, kann man der Partei nicht vorwerfen. Fragwürdig bleibt
allerdings der Tonfall, mit dem sie es tut - gerade vor der Klausur
in Kreuth. Im vergangenen Jahr waren es rhetorische Pfeile gegen
Asylmissbrauch und Wirtschaftsflüchtlinge, heuer sind es Appelle zur
Abschottung: Immer schwingt die Botschaft an den Wähler mit, wenn man
nur Obergrenzen verkünde, notfalls die nationalen Grenzen schließe
und die Lebensbedingungen für Flüchtlinge weiter verschlechtere,
könne man das Problem der Flucht vor Elend und Gewalt ins reiche
Deutschland lösen. Eine Botschaft, die schwer verträglich mit jenen
christlichen Werten scheint, deren Achtung die CSU von den
Flüchtlingen selbst so vehement einfordert.



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Kommentar von Bernd Kramer
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Datum: 04.01.2016 - 20:15 Uhr
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