(ots) - Die EU tut sich schwer mit der Pflege ihres
Wertekerns. Jedenfalls, soweit es sich um Club-Mitglieder handelt.
Beitrittskandidaten werden systematisch jahrelang beobachtet, ob sie
die für den Beitritt nötige demokratische Reife vorweisen können. Wer
den Mitgliedsausweis in der Tasche hat, muss es mit all den
Anforderungen nicht mehr so genau nehmen.
Erkannt ist das Dilemma seit langem, spätestens seit in Österreich
die FPÖ des Rechtspopulisten Jörg Haider in eine Regierungskoalition
mit den Christdemokraten aufgenommen wurde. Die Partner steckten in
ihrer Ratlosigkeit die Österreicher in eine Art diplomatischer
Quarantäne. Erst nach dem Halbdesaster mit der improvisierten
Maßnahme stattete man sich mit einem ordentlichen Verfahren zur
Ahndung systematischer Werte-Verachtung aus. Das ist aber so
großkalibrig (Entzug von Stimmrechten), dass sich keiner traut, es
anzuwenden. Also wurde vor zwei Jahren ein weiterer, vorgeschalteter
Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit ins Leben gerufen. Den
setzt die Kommission jetzt erstmals in Gang.
Beim Vollzug des nun begonnenen Verfahrens sollte äußerste
Vorsicht walten. Es geht darum, die immer noch vorhandene
europafreundliche Mehrheit der Polen nicht an die Betreiber einer
nationalistischen Neuausrichtung zu verlieren. Widerstand gegen
Belehrung von außen ist einer der am einfachsten zu stimulierenden
politischen Reflexe.
Die EU kann sich eine Abwendung Polens nicht leisten. Es ist das
mit Abstand wichtigste Mitgliedsland aus dem verflossenen
Sowjet-Imperium, der sechstgrößte Mitgliedstaat, eine beachtliche
Wirtschaftsmacht und Nato-Verbündeter. Jeder Versuch, die Polen zu
zwingen, wird scheitern.
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