(ots) - Seit der Silvester-Randale in Köln ist der böse
Geist aus der Flasche. Der AfD-Politiker Björn Höcke will Angela
Merkel in der Zwangsjacke aus dem Kanzleramt führen, Pegidisten rasen
vor Wut auf arabisch aussehende Männer, selbst ernannte Rächer
erklären Dunkelhäutige auf deutschen Straßen zum Freiwild: "Schwanz
ab, Kopf ab, von hinten erschießen" - so lauten Parolen aus längst
vergessen geglaubten Zeiten. Vielleicht gründet sich demnächst ja
eine Initiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe für muslimische
Gewalttäter. Die Diskussion um die Kölner Übergriffe ist vergiftet.
Und dieses Gebräu wirkt wie ein Aufputschmittel auf Rassisten genauso
wie auf Rechtspopulisten. Natürlich ist der Spießrutenlauf, den die
Frauen auf der Domplatte erlebten, einfach nur widerwärtig und
unentschuldbar. Doch ebensowenig dürfen es Staat und Gesellschaft
hinnehmen, dass Ausländer nun unter Generalverdacht gestellt werden
und dass jeder Flüchtling als potenzieller Gewalttäter beäugt wird.
Die Politik muss höllisch aufpassen, dass die Relationen nicht aus
den Fugen geraten. Was den etablierten Parteien nach Köln einfällt,
entspringt den üblichen Empörungsritualen der Politik: Null Toleranz
gegenüber straffälligen Flüchtlingen fordert CSU-Generalsekretär
Andreas Scheuer. Alle Täter müssen konsequent zur Rechenschaft
gezogen werden, verlangt NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Sogar die Grüne Katrin Göring-Eckart fordert die ganze Härte des
Gesetzes. Ja was denn sonst? Natürlich darf der Staat Kriminalität
nicht tolerieren. Dabei kann er sich sogar auf geltende Gesetze
berufen: So gibt es etwa den Straftatbestand der gemeinschaftlichen
Körperverletzung, der mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet
werden kann. Langjährige Haftstrafen stehen auch auf sexuelle
Nötigung. Es liegt nur an Polizei und Justiz, der Täter habhaft zu
werden und sie zu überführen. Und an den Gerichten, dann auch
abschreckende Strafen zu verhängen. Die Politik gibt vollmundige
Versprechen, die am Ende nicht erfüllt werden. Weder werden härtere
Gesetze etwas ändern, noch wird es Flüchtlingsobergrenzen in der Form
geben, wie sie derzeit diskutiert werden. Dieser Populismus läuft
Gefahr, als heiße Luft aufzusteigen. Das wird dann zum
Brandbeschleuniger für jene, die die Medien als Lügenpresse
beschimpfen und die die etablierte Politik für verrückt und unfähig
halten - und nur von deren Misserfolgen leben. AfD-Mann Höcke ist
nicht der Einzige, der aus den schwarz-roten Eiertänzen Nahrung
saugt. Union und SPD sitzt die Angst im Nacken, bei den drei
Landtagswahlen im März von den Wählern abgestraft zu werden. Deshalb
geben sich die Parteigrößen als Law&Order-Kämpfer. Die einen spielen
die harten Hunde, andere lassen sich zu populistischen Forderungen
hinreißen. Doch in dieser hochemotionalen Debatte sollten die
Politiker einfach mal versuchen, den mündigen Bürger mit der Realität
zu konfrontieren. Wer einen starken Staat und mehr Polizei will, um
der Bevölkerung das Gefühl von mehr Sicherheit zu geben, der muss
auch bereit sein, dafür Geld auszugeben - das dann anderswo fehlt.
Wer eine Asyl-Obergrenze von 200 000 pro Jahr fordert wie CSU-Chef
Horst Seehofer, der muss auch erklären, was er spätestens Ende
Februar machen will, wenn diese Zahl erreicht ist. Und wer weiter an
Merkels Credo "Wir schaffen das" festhält, der muss beantworten, wo
er die Flüchtlinge überhaupt unterbringen will. Die Frage nach der
Integration wird bei einer Million Asylsuchenden pro Jahr jedenfalls
zweitrangig sein. Frei nach Willy Brandt formuliert sollte die
Politik endlich mehr Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung wagen.
Denn mit Halbwahrheiten oder falschen Versprechungen wird der böse
Geist nicht wieder in die Flasche zurückgehen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de