(ots) - Der Landshuter Landrat Peter Dreier hat
Flüchtlinge vor das Kanzleramt gekarrt, um sie loszuwerden. Er sprach
davon, ein Zeichen setzen zu wollen, dass es so wie bisher in der
Flüchtlingspolitik nicht weitergehen könne und dürfe. Kanzlerin
Merkel habe gesagt, sie schaffe das, nun solle sie zeigen, wie sie
das schaffe. Gut gebrüllt Löwe, sagen viele. Mehr als laute Töne hat
Dreier aber nicht zu bieten. Lösungen für die Herausforderungen,
denen sich Deutschland durch den Zustrom von Flüchtlingen gegenüber
sieht? Fehlanzeige. Dreier hatte nicht einmal seine bizarre PR-Aktion
durchdacht, sonst hätte er sich vorab um eine Unterkunft für seine
Gäste gekümmert. Dafür, dass er die Flüchtlinge nicht als Obdachlose
zurückließ, rühmt sich Dreier als verantwortungsbewusster Politiker.
Ist er das? Ist sich Dreier der Verantwortung bewusst, die er als
gewählter Politiker trägt? Seine Aktion ist ein Hinweis darauf, dass
das nicht so ist. Durch die Wahl bestimmen wir Politiker zu
denjenigen Menschen, die durch ihr Denken Probleme für unsere
Gemeinschaft lösen sollen. Dreier ist Landrat einer Region, die sich
wirtschaftlich gut entwickelt und landschaftlich reizvoll ist. Der
Landkreis wirbt mit dem Slogan "Wohlfühlen mitten in Bayern" und
verweist mit Stolz darauf, dass Landshut einer der dynamischsten
Räume Deutschlands ist. Diese Region spürt aber auch, wie schwierig
es ist, mit der Situation umzugehen, dass an den bayerischen Grenzen
weiterhin täglich bis zu 3000 Flüchtlinge ankommen. Der Landkreis
unterhält 66 dezentrale Unterkünfte, eine Notfallhalle sowie mehrere
Unterkünfte für unbegleitete minderjährige Jugendliche. Die Regierung
von Niederbayern betreibt eine Gemeinschaftsunterkunft. Der Landkreis
Landshut hat - die Stadt Landshut nicht mitgerechnet - 150 000
Einwohner. Auf sie kommen 2100 Flüchtlinge. 1500 sind in Wohnungen,
Einfamilienhäusern oder Gewerberäumen untergebracht. Weitere 180
Menschen schlafen in einem ehemaligen Supermarkt, 270 in einer
Sporthalle. Wie für viele Landräte ist es für Dreier schwierig, die
Aufgaben, die aus der Flüchtlingskrise erwachsen, zu stemmen. An
manchen Orten in Deutschland spotten die Unterkünfte jeder
Beschreibung. Die Menschen müssen in großer Zahl in Turnhallen und
Traglufthallen ausharren. Es kommt zu Schlägereien. In vielen
Landkreisen müssen die Verwaltungen Mitarbeiter aus anderen
Abteilungen abordnen, um Belastungen aufzufangen. In vielen Orten
kennt man das Probleme, dass anerkannte Asylbewerber nicht aus ihrer
Unterkunft ausziehen können, weil sie keine bezahlbare Bleibe finden.
Trotzdem ist Dreier der einzige Landrat, der Flüchtlinge in einen Bus
nach Berlin fahren lässt. Warum? Es geht ihm gar nicht darum,
Lösungen zu finden. Das ist mühsam. Dreier täte trotzdem besser
daran, sich mit seinen Bürgermeistern zusammenzusetzen, um Flächen
für den Neubau von Wohnungen auszuweisen, Deutschkurse zu
organisieren und für Plätze in Schulen und Kindergärten zu sorgen.
Dass die Lage in den Kommunen zusehends prekärer wird, hat sich
durchaus bis zu Kanzlerin Merkel herumgesprochen. Dazu hätte es die
Bustour nicht gebraucht. Dreier hat sie unternommen, weil er glaubt,
dass sich daraus politisch Kapital schlagen lässt. Die Freien Wähler
wollen die CSU in der Flüchtlingspolitik rechts überholen. Das mit
Abstand Geschmackloseste an Dreiers Aktion ist aber, dass sie auf dem
Rücken von Menschen in Not ausgetragen wurde. Dreier betont, dass die
Flüchtlinge freiwillig mitgefahren seien. Doch ganz offensichtlich
wurden ihnen falsche Versprechungen gemacht. Keinem der Flüchtlinge
war klar, dass er ein Zeichen werden sollte. Die Kanzlerin sagt es
noch nicht, aber einen Hellseher muss man nicht sein für die
Vorhersage, dass Deutschland seine Grenzen bald abriegeln wird. Ganz
unabhängig davon sollte es eine Selbstverständlichkeit bleiben, dass
Asylsuchende, die bereits hier leben, wie Menschen behandelt werden -
und nicht wie Pingpongbälle.
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