(ots) - Wenn es doch so einfach wäre: Da setzen sich
die Großen dieser Welt an einen Tisch und beschließen ein seit fünf
Jahren anhaltendes Blutvergießen zu beenden. Aber so einfach ist es
nicht. Denn zum einen weiß man nicht, wie ehrlich es Moskau meint,
und zum anderen, ob die Kleinen auf dem Gefechtsfeld sich an die
Vorgaben aus München halten. Dschihadisten, Terroristen und Rebellen
in Nahost haben eines gemeinsam: Sie kämpfen bis zum letzten
Blutstropfen der anderen. Aber lässt sich nicht doch etwas Hoffnung
schöpfen? Es ist wie immer eine Frage der Interessen und Absichten.
Ein Schlüssel für die Beendigung der Kämpfe liegt zweifellos in der
Hand Putins. Wenn er Assad Weisung erteilt oder den Schlächter von
Aleppo, Homs und Damaskus unter Druck setzt, dann schweigen die
Waffen auf dieser Seite. Dann wären humanitäre Korridore in die
belagerten Städte und Ortschaften möglich. Putins Hauptinteresse ist
derzeit die Aufhebung der Sanktionen. Sie kosten Russland
mittlerweile 160 Milliarden Euro. Hinzu kommt der gefallene Ölpreis,
er reißt den Rubel und die russische Wirtschaft in den Abgrund. Das
eiskalte, zynische Kalkül, eine Eskalation des Krieges in Nahost
würde auch den Ölpreis wieder in die Höhe treiben, war eine Illusion.
Jetzt muss man es wohl mit einer Offensive des Charmes versuchen.
Dazu passt der Besuch Seehofers in Moskau, dazu passt das Treffen des
traditionell staatshörigen Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche
mit dem Papst, und dazu passt jetzt auch das Abkommen von München. Es
gibt also eine kleine Chance auf eine Kampfpause. Sollten die
Europäer aber auf den Sanktionen bestehen, dann werden die Kämpfe in
Syrien weitergehen. Ungewiss ist allerdings das Verhalten der
Rebellen und Dschihadisten. Bei den Kämpfern des IS und des
El-Kaida-Ablegers Al Nusra darf man annehmen, dass sie eine
Kampfpause nur nutzen würden, um neue Waffen und Kräfte zu sammeln.
Bei den moderaten Islamisten kann man davon ausgehen, dass auch sie
auf Dauer nicht unter oder mit Assad leben wollen. Gleiches gilt
für die sunnitischen Anlehnungsmächte Katar und Saudi-Arabien. Eine
Waffenruhe mit Perspektive ist nur dann realistisch, wenn Assad sich
auf ein alawitisches Gebiet zurückzieht, dessen Größe und
Überlebensfähigkeit auf der Syrien-Konferenz in Genf ausgehandelt
werden müsste. Auch hier würden die Russen eine entscheidende Rolle
spielen. Denn Russland wäre die Garantiemacht des Alawitenstaats. All
das sind Unwägbarkeiten und Mutmaßungen. Sie gleichen dem Blick in
die Glaskugel. Es geht bei Syrien längst nicht mehr um ein Abwägen
zwischen ei-nem kleineren oder größeren Übel. Hier haben wir es nur
mit großen Übeln zu tun. Deshalb ist eine Waffenpause schon ein
enormer Gewinn. Sie erlaubt ein humanitäres Luftschnappen - für den
Moment.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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