(ots) - Unter Deutschen gibt es ein sehr hohes Maß an
Veränderungsbereitschaft. Dies ist eines der Ergebnisse der Studie
mit dem Titel "Das Vermächtnis", für die DIE ZEIT, das
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und das infas
Institut für angewandte Sozialwissenschaft Ende 2015 über 3000
Menschen in ausführlichen Interviews befragten. "Zwischen Alt und
Jung herrscht Frieden. Und dieser Frieden reicht sogar noch weiter",
erklärt WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger im Gespräch mit der ZEIT.
"Die Einkommen liegen weit auseinander, die Vermögen noch mehr, der
Zugang zu Bildung ist sehr ungleich verteilt, es gibt Unterschiede
zwischen Ost und West", sagt Allmendinger. "Man könnte in vielerlei
Hinsicht von einer gespaltenen Gesellschaft sprechen. Unter der
Oberfläche aber, im Inneren, wenn es um die Werte und Normen geht,
liegen die einzelnen Gruppen der Gesellschaft nah beieinander. Das
ist ein Ansatz für Hoffnung."
Was die Erwerbsarbeit betrifft, so ergab die Umfrage eine hohe
Empathie der Menschen ihrer Arbeit gegenüber: "Früher mag im
Berufsleben das materielle Motiv im Vordergrund gestanden haben.
Heute erfüllt die Arbeit auch einen immateriellen Zweck: Sie gehört
im Empfinden der Deutschen zu einem erfüllten Leben einfach dazu", so
Allmendinger. Die Menschen arbeiteten nicht nur des Geldes wegen:
Viele von ihnen "haben das Gefühl, keinen weiteren Besitz anhäufen zu
müssen. Trotzdem wollen sie arbeiten." Das einst hinsichtlich der
Arbeit vorherrschende Pflichtgefühl scheint passé: "Es gehörte sich
einfach zu arbeiten, vor allem für die Männer. Heute hat die Pflicht
als Motiv ausgedient", resümiert Allmendinger eine zentrale
Erkenntnis der Studie.
Eine ähnlich nachhaltige Abkehr von bisher sicher Geglaubtem
ergibt sich im Themenspektrum Gesundheit, herrscht doch ein hohes Maß
an Solidarität der Wohlhabenden mit den Geringverdienern: "Hier zeigt
sich ein Bekenntnis zum deutschen Sozialstaat. Die Gemeinschaft soll
für alle sorgen, es soll nicht das Recht des Reicheren herrschen", so
Allmendinger. Mit dieser Aussage identifizierten sich "Wohlhabende
genauso wie Menschen mit wenig Geld, Gebildete genauso wie
Ungebildete". Für Deutschland ließe sich aus der Studie ganz
eindeutig der "Auftrag an die Politik ableiten, das soziale
Sicherungssystem zu erhalten". Der Umstand, dass es bei den Reformen
der vergangenen Jahre vor allem um Einsparungen und Eigenleistungen
ging, mache das Studienergebnis "umso brisanter".
Auch im Punkt Familie und Partnerschaft verschieben sich die
Werte. Die Fortsetzung von Partnerschaften aus Rücksicht auf
gemeinsame Kinder hat offenbar ausgedient: "Allein der Kinder wegen
will und wird in Zukunft kaum noch jemand mit seinem Partner
zusammenbleiben", so Allmendinger. Für die Studie wurde unter anderem
gefragt: "Ist Heirat ein ganz besonderer Ausdruck von Liebe?" oder
auch "Tut es Paaren gut, klar zwischen Mein und Dein zu trennen?".
Ãœberall dort gelte, so Allmendinger: "Die Leute achten mehr auf sich
selbst, auf ihr eigenes Wohl, und möchten dies auch den folgenden
Generationen vermachen." Auch hier hätte man einen Bruch zwischen den
Generationen erwarten können, die Realität ist eine andere:
"Interessanterweise sind heute auch die über 65-Jährigen der Ansicht,
dass es besser ist, sich zu trennen, wenn man sich nicht mehr
versteht. Früher mag es in Deutschland eine andere Tradition gegeben
haben, aber auch diejenigen, die damals jung waren, denken heute
anders", so Allmendinger.
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