(ots) - An der Balkan-Route machen die Länder die Schotten
dicht, in Deutschland kommen auf einmal weniger Flüchtlinge an. Da
wird sich auch jenseits des CSU-Lagers Dankbarkeit regen für die
österreichische Innenministerin Mikl-Leitner und ihre "Kettenreaktion
der Vernunft". Geht doch, mag so mancher denken und es klammheimlich
den ewig lästigen Griechen gönnen: Wenn die nicht in der Lage sind,
die EU-Außengrenze abzuriegeln, müssen sie halt sehen, wie sie mit
dem Andrang fertig werden!
Das ist nicht nur zynisch und ungerecht, sondern auch kurzsichtig.
Zynisch ist es, weil die Verschiebelogik das Elend Zehntausender
Menschen achselzuckend in Kauf nimmt. Ungerecht ist es, weil die
Verfechter einer gesamteuropäischen Lösung im Geiste der Solidarität
von der frommen Botschaft, die sie heute - zu Recht - predigen, die
längste Zeit nichts wissen wollten. Auch die Deutschen, solange es
sich bei ihnen nicht staute, waren gern bereit, die Griechen mit
ihrer Mischung aus ungeschickter Geografie und untauglicher
Organisation allein zu lassen.
Kurzsichtig ist es, weil eben diese Griechen mit dem
Migrantendrama heute so überfordert sind wie ehedem mit der
Schuldenkatastrophe. Und das "ehedem" wird man leider streichen
müssen: Was zum Jahreswechsel nur unruhige Ahnung war, verfestigt
sich zum starken Verdacht: Da, wo die neue Krise ihr Epizentrum hat,
da ist die alte noch längst nicht überwunden. Man kann nur hoffen,
dass die alte Bauernregel nicht greift, der zufolge Europa immer nur
eine große Krise auf einmal bewältigen kann. Merkels "Wir schaffen
das" steht vor einer zusätzlichen Bewährungsprobe. Mikl-Leitners "Wir
schaffen uns das vom Hals" ist indes eine schäbige Illusion von
Anfang an.
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