(ots) - Mitunter ist es so, dass man sich in der Politik
nicht aussuchen kann, mit wem man verhandelt und Deals abschließt. Im
Fall der Kooperation mit dem Regime in Ankara trifft das aber nicht
zu, denn es hätte eine Alternative gegeben. Aber dies ist offenbar
nur noch eine theoretische Option: Die Türkei hat das Scheitern einer
gemeinsamen europäischen Asylpolitik, die diesen Namen auch verdienen
würde, zu ihrem Geschäftsmodell gemacht. Sie profitiert von den
Fliehkräften in Europa: Von Treffen zu Treffen wird der Preis für die
Abschottung der Festung Europa in die Höhe getrieben. Und das ist
nicht nur eine Frage von Milliarden, sondern von Menschenleben und
Grundrechten. Ankaras Angebot, eine Abschiebung »aller aus der Türkei
neu auf den griechischen Inseln ankommenden irregulären Migranten« zu
akzeptieren, wenn die Gegenleistung dafür stimmt, suspendiert den
letzten Rest von Asylrecht für Hunderttausende. Wer entscheidet und
wie, was als »illegale« Einreise gilt? Eine rechtsstaatliche
Überprüfung der individuellen Fluchtgründe ist kaum noch zu erwarten.
Das Leben eines Eritreers wird gegen das einer Syrerin ausgespielt.
Die Genfer Konvention wird in Europa zum Papiertiger herabgewürdigt,
die Grundlegendes zur Aufnahme von Flüchtlingen regelt. Wer das Pech
hat, auf der falschen Route nach Europa zu gelangen, muss sich wieder
hinten in die Schlange der Asylsuchenden anstellen. Eine Abschiebung
wird mit einer »legalen Einreise« in die EU aufgewogen - aber was
dann mit den Geflüchteten geschieht, ist noch nicht einmal klar,
schließlich konnten sich die EU-Regierungen bisher nicht auf eine
Verteilung der Schutzsuchenden einigen. Die Rechtsregime von Budapest
über Polen bis in die Slowakei machen Front dagegen. Und andere
Länder verhalten sich unter »sozialdemokratischen« Regierungen nicht
anders - siehe Frankreich, siehe Österreich. Dass nun von
»Durchbruch« die Rede ist, verhöhnt die Hunderttausenden, die von
Europa im Stich gelassen werden - in Lagern in der EU wie an den
Außengrenzen. Der angekündigte Deal mit dem Regime in Ankara tritt
noch einmal die Opfer der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei
mit Füßen, die verhafteten Journalisten, die Toten des brutalen
Krieges gegen die Kurden. Die »europäische Lösung«, die sie meinen,
lautet: Mit Geld kann man sich von der Gewährung von Menschenrechten
und von Solidarität freikaufen. »Hat das Misstrauen die Europäische
Union schon so zerfressen«, hat die Sozialdemokratin Gesine Schwan
dieser Tage gefragt, dass eine andere Lösung nicht einmal mehr
vorstellbar ist? Das war vor dem jüngsten EU-Treffen. Danach ist noch
weniger Hoffnung: Die europäische Lösung, die sie meinen, ist keine -
nicht für Hunderttausende Flüchtlinge, nicht für Europa, nicht für
die Rechte von Menschen. Dabei wäre es ganz einfach, eigentlich:
Würden die EU-Staaten eine gemeinsame Asylpolitik akzeptieren, die
menschenrechtlichen Standards genügt und die wirtschaftliche Stärke
Europas berücksichtigt, müsste man das Asylrecht jetzt nicht dem
Regime in Ankara zum Billigpreis vor die Füße werfen.
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