(ots) - Natürlich ist für viele Grüne der Gedanke
reizvoll, über Regierungsbeteiligungen mit der CDU nun zur richtigen
Volkspartei zu werden. Raus aus der linken Ecke, raus aus der
rot-grünen Einbahnstraße, die nur in die Opposition führt. Und wie
besser könnte man das beweisen als im konservativen
Baden-Württemberg, noch dazu als führende Kraft mit einem eigenen
Landesvater. Das öffnet Tür und Tor mindestens für Schwarz-Grün in
vielen anderen Ländern und dann auch sehr bald im Bund. Endlich
wieder mitregieren. Aber Vorsicht. Die Grünen haben bei solchen
Bündnissen weit mehr zu verlieren als die Union, die ziemlich stabil
auf einer breiten Unterstützung in der bürgerlichen Mitte ruht. Die
Grünen haben einen herausragenden Markenkern, den sie sich trotz
vieler Kompromisse immer so entschlossen erhalten haben wie kaum eine
Partei: Umweltschutz im weitesten Sinne, letztlich die Bereitschaft
zum Verzicht zugunsten der Natur und zu Ungunsten von Wirtschaft und
Konsum. Das ist ihre Basis, ihre Existenzbedingung. Es besteht die
Gefahr, dass dieser Markenkern nun in Baden-Württemberg mit einer
auto- und industriefreundlichen Politik beschädigt wird, jedenfalls
teilweise. Hinzu kommt als Markenkern Nummer zwei die innere
Liberalität, die die absolute Offenheit für Migranten ein- und allzu
harte Sicherheitsgesetze ausschließt. Auch hier drohen der Partei in
der Zusammenarbeit mit der Union Zumutungen, die an die Substanz
gehen. Das mag am Anfang noch durch äußere Zustimmung überlagert
werden - Medien und auch ein Teil der Wähler werden es goutieren,
wenn man pragmatisch mitregiert und kompromissbereit ist. Aber der
Niedergang beginnt dann im Innern, in der Enttäuschung von
Mitgliedern aus den Gründer-Jahren und in der sinkenden Attraktivität
der Partei für jungen Nachwuchs, die schon jetzt zu erkennen ist.
Markenkern Nummer drei, die absolute Ausrichtung auf friedliche
Konfliktlösungen auf internationalem Gebiet wurde bereits zu Zeiten
Joschka Fischers aufgegeben, den haben die Linken übernommen. Wie
nachhaltig der Verlust solcher Identitäten wirkt, zeigt die SPD, die
seit der Reformpolitik der Agenda 2010 das Soziale nicht mehr
glaubhaft verkörpert und deshalb dauerhaft viel Stammpublikum an
Nichtwähler und Linke verloren hat. Ihre zweifellos notwendige Wende
vom puren Verteilen zum Fordern und Fördern kam zu abrupt und war zu
wenig vermittelt. Dieses Beispiel werden die grünen Verhandler in
Stuttgart und demnächst womöglich anderswo beachten müssen. Wenn sie
bei den Kompromissen mit der Union zu weit gehen und sie zu wenig
erklären, kann der Triumph des 13. März der Anfang vom Niedergang
sein.
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