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Westfalen-Blatt: zu Brasilien

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(ots) - Angela Merkel und Dilma Rousseff verbindet
einiges: Sie sind starke Frauen an der Spitze der jeweils größten
Volkswirtschaft Europas und Lateinamerikas. Beide sind hart im
Nehmen, die eine wuchs in der DDR auf, die andere während der
Herrschaft der Militärs. Die Deutsche wird mehr in der politischen
Mitte als bei den Konservativen verortet. Die Brasilianerin gilt als
gemäßigte Linke aus ursprünglich radikalem und unbestechlichem
Arbeitermilieu. Und beiden bläst der politische Wind ins Gesicht.
Hier enden allerdings die Gemeinsamkeiten. Der Widerstand gegen
Merkels Europa-, Flüchtlings- und Grundrechtepolitik ist nichts gegen
die schweren Stürme, die Rousseff aus der Bahn werfen. In der Nacht
zu Montag erlitt ihre Neun-Parteien-Koalition Schiffbruch. Die mit
367 gegen 137 Stimmen im Parlament eingeleitete Amtsenthebung war de
facto schon die Entmachtung, wenngleich die Verfassung ein
langwieriges Verfahren bis November vorsieht. Mehr noch. Die
Regierung gilt schon lange als handlungsunfähig. Von den 675
Politikern beider Kammern sehen sich 350 Abgeordnete
Ermittlungsverfahren wegen Korruption und anderer Delikte bis hin zu
Mord ausgesetzt. Die Vorwürfe unsolider Haushaltspolitik klingen fast
banal angesichts der Skandale etwa um den staatlichen Ölkonzern
Petrobras. Allein hier geht es um das Verschwinden von 1,5 Milliarden
Euro in den Taschen der Politiker fast aller Parteien. Brasiliens
ungelöstes Sicherheitsproblem, die Olympischen Spiele im August, die
schwerste Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren und die absehbaren
Massenproteste von Gewerkschaften sowie den verarmten Massen machen
alles noch schlimmer. Selbst Neuwahlen können frühestens im Oktober
stattfinden. Zynisch: Am vermutlich reibungslosen Ablauf der
Olympischen Sommerspiele wird die Dauerkrise auf Kosten der Schwachen
nichts ändern. Ähnlich wie die Fifa bei der Fußball-Weltmeisterschaft




2014 weiß das IOC seine Show mit Sicherheitsbarrieren und für
einfache Brasilianer unbezahlbaren Tickets durchzuziehen. Soviel ist
gewiss: Die TV-Sportkanäle bleiben sauber - auch wenn es in den
Elendsvierteln zum Himmel stinkt. Brasilien war immer das Land der
abgeschirmten Reichenviertel und der No-Go-Bereiche. Die brutale
Trennung von sicheren, weil umzäunten, und lebensgefährlichen, weil
dem Mob ausgelieferten, Zonen gilt auch für die Politik. Der
Machtkampf im Parlament ist ein erbarmungsloser Streit der Linken mit
dem rechtskonservativen bürgerlichen Lager. Seit der
Regierungsübernahme 2003 durch die Arbeiterpartei mit Lula da Silva
haben sich die neuen Kräfte als politisch kaum besser und moralisch
sauberer erwiesen als die alten. Beide Lager verraten hoffnungslos
verstrickt das Gemeinsame. Brasiliens ewiger Bruderkampf besiegelt
Dilmas Dilemma.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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Datum: 18.04.2016 - 21:00 Uhr
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