(ots) - Die Abkehr des türkischen Staates vom Kemalismus
erfolgt langsam, aber kontinuierlich, und sie ist Werk und Ziel vor
allem eines Mannes: Erdogan. Scheinbar anknüpfend an das von
Staatsgründer Kemal Atatürk wiedererweckte türkische
Selbstbewusstsein, die Renaissance einer starken Nation nach dem
schmählichen Untergang des Osmanischen Reiches in der Folge des
Ersten Weltkrieges versammelt der aktuelle türkische Staatspräsident
seit Beginn des Jahrtausends mit Atatürk auf der Fahne eine Mehrheit
der Türken hinter sich - allerdings mit der Absicht, das
Jahrhundertwerk des »Vaters der Türken« zu konterkarieren.
Atatürks Vorbilder von einer zukunftsorientierten Gesellschaft,
damals in den 20er/30er Jahren, lagen in Westeuropa. Für ihn war sie
untrennbar verbunden mit einem konsequenten Laizismus. Und diesen
setzte er zu Hause rigoros ins Werk. Selbst der von ihm
durchgedrückte Wechsel von arabischer auf lateinische Schrift hatte
auch den Zweck einer Entfernung des Islam aus dem öffentlichen Leben.
Die Frage der Lettern scheint heute zwar irreversibel, auf vielen
anderen Feldern des öffentlichen Lebens aber hat Erdogan den
Rückwärtsgang eingeschaltet. Und zielt jetzt auf die bisher klarste
Niederlage der Säkularisten in Ankara.
Wäre eine islamische Verfassung eigentlich EU-kompatibel? Ein
schnelles Nein verbietet sich, denn das Kaczynskische Staatsmodell in
Polen ist von dem Erdogans so weit nicht entfernt. Es hat nur ein
anderes Vorzeichen.
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