(ots) - Es gab und gibt bei den etablierten Parteien die
Hoffnung, die AfD werde sich bald wieder zerlegen oder ins
Sektiererische abgleiten. Denn bisher ist in Deutschland noch jeder
Versuch einer Parteineugründung auf der rechten Seite an sich selbst
gescheitert. Seit dem Stuttgarter Parteitag ist die
Wahrscheinlichkeit dafür sehr viel geringer geworden. Die AfD strotzt
vor Selbstbewusstsein, sie hat eine außerordentlich motivierte Basis,
sie wird getragen von einer Erfolgswelle und sie gibt sich nach außen
hin sehr geschlossen. Zwar belauert sich die Führung, zwar suchen
nationalpatriotische Kräfte nach mehr Einfluss, doch im Moment hat
die Partei das im Griff. Erfolge bei den nächsten Landtagswahlen und
der Einzug in den Bundestag sind aus heutiger Sicht sehr
wahrscheinlich. Und zwar, das ist auch eine neue Erkenntnis,
unabhängig davon, ob der Flüchtlingsstrom anhält oder ob die
Griechenlandkrise erneut ausbricht oder nicht. Beides waren die
Gründungsthemen dieser rechtspopulistischen Kraft, doch ist sie
inzwischen deutlich weiter. Mit dem Programm von Stuttgart hat sie
sich zur Sammlungsbewegung aller vom Politikbetrieb der letzten
Jahrzehnte Enttäuschten gemausert, der Modernisierungsverweigerer,
-verlierer und -kritiker. Das Programm riecht wie die 1970er-Jahre:
Zurück zum Schuldprinzip bei Scheidungen, Sühne statt
Resozialisierung im Strafrecht, Atomkraft statt EEG, gegliedertes
Schulsystem statt Gesamtschule. Und dann die Ausfälle gegen die
Frauenpolitik, gegen Ökos, gegen Multikulti. Es gab immer eine
Schicht in der Bevölkerung, die mit all dem nicht mitkam und die
deshalb aufgehört hatte zu wählen. Diese Schicht hat nun ein Ventil.
Hinzu kommt als neues Thema die Ausrufung einer Art Kulturkampf gegen
den Islam, das unterschwellig ebenfalls schon länger vorhanden war.
Die anderen Parteien werden die AfD inhaltlich stellen müssen. Sie
werden an jedem Punkt neu begründen müssen, warum ihre Positionen
vernünftiger sind, als die der Rechten. Als selbstverständlich
voraussetzen dürfen sie nichts. Nicht einmal den Klimawandel.
Außerdem werden sie die AfD dort stellen können, wo sie ihre Wähler
früher oder später enttäuschen wird: Die Alleinerziehenden mit der
Ablehnung von Kitas, die Geringverdiener mit ihrem
Steuer-Stufenmodell, Menschen, denen an der Bewahrung der Natur
gelegen ist. Die Summe aller frustrierten Einzelgruppen ergibt eben
noch kein gemeinsames Interesse. Was allerdings nicht reicht, ist,
die AfD einfach in die rechtsextreme Ecke stellen. Das wird nicht den
Motiven ihrer Wähler gerecht und nicht einmal den Absichten eines
großen Teils ihrer Mitglieder. Auch wenn es solche unter ihnen gibt.
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