(ots) - Beginnen wir mit den Vorteilen: Wenn die Türken
demnächst visafrei nach Europa reisen dürfen, dient das dem
politischen und kulturellen Austausch und damit auch der Demokratie.
Das Argument ist nachvollziehbar.
Doch was steht auf der anderen Seite? Fakten, aber vor allem
Gefühle: Wir wissen nämlich nicht, wer dann zu uns kommen wird, ohne
sich zuvor einer Visa-Prüfung unterziehen zu müssen. Die Angst, das
Kurden-Problem könne sich in den Westen verlagern, ist nicht
unbegründet. Auch die Sorge, viele mittellose Türken könnten
zukünftig in Europa abtauchen, lässt sich nicht von der Hand weisen.
Von entscheidender Bedeutung für das Schicksal der Europäischen
Union sind allerdings folgende emotionale Aspekte: Immer mehr Bürger
treibt die Sorge um, dass die Damen und Herren in Brüssel ihre
Entscheidungen allein aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül und
gegen den Willen der Menschen treffen. Eine große Menge Europäer,
diese Mutmaßung sei erlaubt (denn es gibt dazu ja keine
Volksbefragungen), will nicht, dass die Türkei Mitglied im erlesenen
EU-Club wird. Unter Erdogan entfernt sich das Land zusehends von
Europa. Der Sultan testet gerade aus, wie weit er gehen kann. Und
ohne die Flüchtlingskrise würde es die geplante Visafreiheit ja gar
nicht geben. Europa ist erpressbar. Deshalb plädiert die Kommission
für die Reisefreiheit, obwohl die Türkei nicht alle Bedingungen dafür
erfüllt hat.
Der Deal ist allerdings noch nicht in trockenen Tüchern, denn alle
EU-Mitglieder müssen ihm zustimmen. Da ist noch viel Geschacher
erforderlich. Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union steht auf
dem Spiel. Viel ist von ihr nicht mehr übrig.
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