(ots) - An diesem Montag ist Europatag. Die EU-Beamten
haben frei, zumindest in Brüssel wird der Tag wie ein Feiertag
gehandelt. Doch Kritiker mögen zu Recht fragen, wem in Zeiten der
Dauerkrisen eigentlich noch zum Feiern zumute ist. Denn in der
Gemeinschaft gibt es derzeit mehr Probleme als Lösungen - zumindest
auf den ersten Blick. Die Flüchtlingskrise wurde bisher nur zum Teil
gelöst, mit dem erzwungenen Abgang des türkischen Premiers Ahmet
Davutoglu zeichnen sich neue Probleme im Dialog mit Ankara ab. Hinzu
kommt die zu erwartende neuerliche Flüchtlingswelle aus Italien, wenn
sich Menschen aus afrikanischen Krisengebieten über Libyen nach
Europa aufmachen. Griechenlands Finanzkrise, die vergangenes Jahr
fast zu dessen Austritt aus der Eurozone führte, weitet sich gerade
wieder aus - das Gespenst eines Grexits aus der Gemeinschaftswährung
ist wieder erwacht. Dann wäre da noch die Abstimmung in
Großbritannien über dessen Verbleib in der EU. Über die Folgen eines
Brexits für die Wirtschaft sind sich selbst Experten uneins - die
Konsequenzen für den Finanzmarkt aber dürften verheerend sein. Da
geht einem ein Loblied auf Europa nicht gerade leicht über die
Lippen. Dabei sollte sich doch herumgesprochen haben, dass die
Probleme nicht ein Ergebnis von zu viel, sondern von zu wenig EU
sind. Die oft gepriesenen Errungenschaften zeigen den Weg: Sie
entstanden, wenn die Union zu einem Schulterschluss fähig war. Und
dafür muss man noch nicht einmal so weit zurückgehen, dass mit der
Schaffung der Gemeinschaft seit vielen Jahrzehnten Frieden herrscht.
Die gemeinsame Währung oder die Reisefreiheit, die viele heute für
selbstverständlich halten, gehört ebenfalls dazu. Dass sie in diesen
Tagen in Gefahr gerät, ist nicht das Verschulden der EU - sondern der
Mitgliedstaaten, die sich einer europaweiten Lösung in der
Flüchtlingskrise verwehrt haben. Denn anders als von der
Öffentlichkeit oft wahrgenommen, unterwerfen diese sich keinesfalls
einem Diktat aus Brüssel, sondern sind maßgeblich am
Entscheidungsprozess beteiligt. Wann immer etwas schiefgeht, weisen
Europas Hauptstädte dennoch gerne mit dem Finger nach Brüssel,
Erfolge schreiben sie sich jedoch selbst zu. Es ist dieser falsche
Nationalismus, der Europas größte Herausforderung bedeutet. An ihren
Krisen ist die Gemeinschaft bislang immer gewachsen. Das kann man der
EU auch einmal zugutehalten.
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