(ots) - Der langjährige Partei- und Fraktionsvorsitzende
der Linken, Gregor Gysi, plädiert dafür, eine rot-rot-grüne Koalition
für die Zeit nach der Wahl 2017 systematisch vorzubereiten. "Es
öffnet sich jetzt ein historisches Fenster für Rot-Rot-Grün", sagte
Gysi im Interview mit dem stern. "Wenn wir diese Chance nicht nutzen,
dann ist das rot-rot-grüne Projekt auf Jahre tot."
Deshalb sollten bereits Ende 2016 aus SPD, Linken und Grünen
Arbeitsgruppen gebildet werden, sagte Gysi. "Man braucht schon Zeit.
Die drei Parteien sind so weit auseinander, dass man in Ruhe
besprechen muss, was geht und was nicht." Die Arbeitsgruppen müssten
sich laut Gysi "über zentrale Themen verständigen: Kriegsbeteiligung,
Rüstungsexporte, Altersarmut, prekäre Beschäftigung, Hartz IV,
ökologische Nachhaltigkeit, Steuern".
Gysi reagiert mit seinem Vorschlag auf den Vorstoß des
SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der vor kurzem für ein "Bündnis
aller progressiven Kräfte" im Kampf gegen die AfD und den
Rechtspopulismus geworben hatte. Dies war allgemein auch als Plädoyer
für eine rot-rot-grüne Koalition nach 2017 verstanden worden.
"Gabriel hat recht", sagte Gysi dem stern. "Wir erleben einen
dramatischen Ruck nach rechts." Der Brexit sei ein Beleg dafür.
Außerdem habe "die SPD erkannt, dass sie an der Seite der Union
schlichtweg verkümmert", so Gysi weiter.
Gysi erneuerte auch seinen Vorschlag, mit einem gemeinsamen
Spitzenkandidaten gegen Angela Merkel anzutreten. "Es kann, aber es
muss ja kein Sozialdemokrat sein", so der frühere Linken-Chef, der
nach wie vor großen Einfluss in seiner Partei hat. Die Widerstände
der Linken gegen ein Bündnis mit Grünen und Linken schätzt er gering
ein. "90 Prozent unserer Wähler wollen das und 80 Prozent unserer
Mitglieder." Ein Ministeramt in einer möglichen rot-rot-grünen
Regierung strebe er "nicht unbedingt" an, so Gysi zum stern. "Ich
muss nicht Bundesminister werden, um mein Lebenswerk zu vollenden.
Meine Aufgabe ist es, den Prozess hin zu einer linken Mehrheit zu
begleiten."
In einer Umfrage ermittelte das Forsa-Institut im Auftrag des
stern, wie die deutschen Wahlberechtigten zu einem solchen Bündnis
stehen. Dass SPD, Grüne und Linke für eine gemeinsame Allianz bereit
sind, bezweifeln insgesamt 68 Prozent der Befragten. Mehrheitlich
skeptisch sind selbst die Sympathisanten der drei Parteien - darunter
69 Prozent der Anhänger der Grünen, 64 Prozent der Linken und 52
Prozent der SPD.
Eine rot-rot-grüne Regierungskoalition wünschen sich mit 21
Prozent die wenigsten Deutschen - darunter vor allem die Anhänger der
Linkspartei (82 Prozent). Favorisiert wird dagegen - noch vor einer
erneuten Großen Koalition (26 Prozent) - ein Bündnis aus Union und
Grünen (28 Prozent). Das befürworten auch 50 Prozent der Grünen- und
47 Prozent der CDU/CSU-Anhänger. Sogar 22 Prozent der AfD-Wähler
könnten damit offenbar gut leben. Nur knapp jeder dritte Befragte (31
Prozent) vermutet, dass die Initiative Gabriels mehr Stimmen für die
SPD bringt - darunter etwas mehr als die Hälfte der SPD-Anhänger (54
Prozent).
Datenbasis: Das Forsa-Institut befragte am 23. und 24. Juni 2016
im Auftrag des Magazins stern 1005 repräsentativ ausgesuchte
Bundesbürger, die durch eine computergesteuerte Zufallsstichprobe
ermittelt wurden. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei +/- 3
Prozentpunkten.
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