(ots) - Nach den Gewalttaten von München, Ansbach und
Würzburg veröffentlichen die Sicherheitsbehörden ständig neue Details
zu den Tätern und ihren teils langen Tatplanungen. Sie können helfen,
das an sich Unerklärliche zumindest ein wenig besser einzuordnen.
Doch keiner sollte sich dem Trugschluss hingeben, dass sich daraus
einfache Rückschlüsse ableiten lassen, wie die Politik Gewaltakte
künftig durch bessere Sicherheitskonzepte ausschließen kann. So sehr
sich jeder danach sehnt: Diese 100-prozentige Sicherheit gibt es
nicht. Es hat sie auch nie gegeben. Es ist deswegen nicht falsch,
wenn die Regierungen in Berlin und München das eine oder andere
Detail nachschärfen - das bayerische Kabinett will schon diese Woche
mehr Personal und eine bessere Sicherheitsausstattung der Polizei
beschließen. Es ist gut, diejenigen zu stärken, die für uns unter
Einsatz ihres Lebens in die Gefahr laufen, während wir uns rasch in
Sicherheit bringen. Es ist auch nicht verkehrt, die psychiatrische
Versorgung im Freistaat auf den Prüfstand zu stellen. Doch in den
drei konkreten Fällen hätte das nichts geändert. Jeder sollte sich
bewusst machen: Das Leben in Unsicherheit wird auch in Deutschland
zur Normalität. An jeder x-beliebigen Straßenecke, in jeder harmlosen
Alltagssituation, kann jeder selbst zum Opfer werden. Wie Gift ist
dies schon nach den Terroranschlägen von Paris und Brüssel in unser
Bewusstsein gesickert. Die Unbeschwertheit ist weg. Viele ertappen
sich jetzt, wie sie in Menschenansammlungen die Anderen mit
Misstrauen beäugen. Wer in dieser Situation über den Staat klagt, der
angeblich zu schwach ist, seine Bürger zu schützen, sollte lieber
ehrlich prüfen, ob er denn selbst einen perfekten Plan parat hätte:
Die Gewalttäter von München, Würzburg und Ansbach hatten zuvor nicht
erkennen lassen, welche Gräueltaten sie planten. Sie wirkten
überwiegend freundlich, eher harmlos. So sie psychiatrische Probleme
hatten, waren sie in Behandlung. Auch der minderjährige Flüchtling,
der im Zug bei Würzburg plötzlich mit einer Axt auf Unschuldige
losging, war seit seiner Ankunft in Deutschland gut betreut. Wer
glaubt wirklich, dass der völlig außer Kontrolle geratene 17-Jährige
zu stoppen gewesen wäre, selbst wenn ein bewaffneter Polizist im Zug
mitgefahren wäre? Auch dann hätte es Verletzte gegeben - sicher auch
durch Querschläger bei Schüssen in einem engen Waggon. Die
anschließende öffentliche Debatte über zu raschen
Schusswaffengebrauch wäre garantiert gewesen. An jeder Gewalttat in
den vergangenen Tagen in Bayern lässt sich in Gedanken durchspielen,
was hätte besser gemacht werden können. Wer ehrlich ist, wird nicht
viel finden. In Zeiten der Verunsicherung ist Besonnenheit statt
Schwarz-Weiß-Denken erforderlich. Es waren drei junge Männer, die
mordeten. Ist das der gemeinsame Nenner, jenseits aller Debatten um
Migrationshintergründe? Vorschnelle Urteile sind dieser Tage auch der
Überforderung aller Seiten geschuldet. Bürger, Politiker,
Journalisten: Alle erlebten in kürzester Zeit Extremsituationen. Es
wäre deshalb nicht schlecht, ein wenig gnädig miteinander umzugehen,
statt über jeden dummen Spruch, jede blöde Frage oder jede zu späte
Beileidsbekundung böse zu schimpfen - sofern das Verhalten bei der
jeweiligen Person nicht politisches Dauerprogramm ist. Ein wenig
Schonung hätte in diesem Sinn auch Innenminister Joachim Herrmann
verdient gehabt. Nach zuvor tagelangem souveränen Auftreten hatte er
die Bombenexplosion von Ansbach noch in der Nacht als wohl
islamistisch motiviert einsortiert. Das mag zu diesem Zeitpunkt
vorschnell gewirkt haben, doch es geschah an seinem dritten
blutgetränkten Tatort in nur einer Woche. Zudem gab im die Realität
Stunden später Recht.
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