(ots) - Tag eins nach dem historischen Wahlsieg der AfD
in Mecklenburg-Vorpommern, Tag eins nach dem Debakel für die Union
dort, für die Union im Land, für CDU und CSU ein Jahr vor der
Bundestagswahl. Die Schuldige ist schnell ausgemacht, die Kanzlerin
selbst gibt zu, dass ihre Flüchtlingspolitik zu diesem Ergebnis
geführt hat. Sie sagt das in China, bei einer Reise, bei der sich ein
Regierungschef eigentlich nie zur Innenpolitik äußert.
Merkeldämmerung? Vielleicht. Die Schuld der CDU-Vorsitzenden zu
geben, ist einfach. Zu einfach. Die einzigen, die mit dem Finger auf
die Kanzlerin deuten dürfen an diesem Montag, haben ausgerechnet
einen CDU-Mann zum politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos
geladen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier spricht bei der CSU, die
sich nun bestätigt sieht: Merkels Politik treibt die Menschen in die
Arme der Rechtsaußen. Davor haben Seehofer, Scheuer, Söder und Co.
immer gewarnt, und daher sind sie mit die ersten, die Merkel
angreifen. In den eigenen Reihen der CDU-Chefin machen manche fleißig
mit. Und es stimmt ja auch: Merkel hat ihr "Wir schaffen das"-Credo
nie relativiert. Sie hat es wiederholt, mantra-artig. Sie hat Wähler
damit irritiert, verschreckt, sie hat sich Feinde gemacht, ja für
viele Bürger ist sie zum Hassobjekt geworden. Dabei ist das, was
Merkel macht, genau das, was viele bei Politikern immer vermissen:
Sie hat Kurs gehalten. Nur hat sie das Ziel der Reise nicht
definiert. Und das könnte ihr zum Verhängnis werden. Kanzleramtschef
Altmaier also muss in die Höhle des Löwen und den CSU-Anhängern
erklären, warum die Politik der Kanzlerin doch richtig ist. Er tut es
nur nicht. Merkels Politik erklärt sie selbst viel zu selten. Wie
soll es dann ihrem Minister gelingen? Also ist das Feld bereitet für
Attacken, und das ist legitim - in Maßen. Der Kanzlerin vorzuwerfen,
sie arbeite immer noch für die Stasi, wie es Freie-Wähler-Chef Hubert
Aiwanger tut, könnte man dabei als Folklore abtun, wenn es nicht
geschmacklos wäre. Das Problem aber ist, dass weder Freie Wähler,
noch SPD, FDP oder Grüne geschafft haben, was die AfD geschafft hat:
Menschen, die bisher nicht oder nicht mehr gewählt haben, an die
Urnen zu bringen. Man kann der AfD zurecht vorwerfen, mit ihren
Forderungen keine Alternative für Deutschland zu sein. Die Frage
aber, warum die Wähler in der Partei offenbar doch eine Alternative
sehen, bleibt auch von Merkels Kritikern unbeantwortet. Und von ihrer
Partei kommt zu einem politischen Schlagabtausch, der eigentlich die
beste Gelegenheit böte, die Moral zu heben, ein Kanzleramtschef, der
die Massen höchstens wachhält, aber nicht wachrüttelt. Parolen dort
und Phrasen hier: So geht Politik 2016 offenbar immer noch. Es ist
richtig: Merkel hat es nicht geschafft, ihre Mission zu erklären. Das
Integrationsgesetz mag ein scharfes Schwert sein, die Schließung der
Balkanroute und das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei haben Wirkung
gezeigt. Hängen geblieben ist bei den Wählern aber nur die Angst, die
die Populisten gefüttert haben, und die die etablierten Parteien
nicht besänftigen konnten. Mit Ausnahme der CSU kann keine Partei am
Ende berechtigter Weise sagen, ohne ihr Zutun - man kann es auch
Blockade nennen - wäre alles noch schlimmer. Nach der Bundestagswahl
2017 dürften wir die AfD als Redner in Bierzelten erleben. Und dann?
Hilft kein Merkel-Bashing mehr. Die AfD hat sich etabliert. Es gilt,
sich mit ihr inhaltlich auseinanderzusetzen. Das ist unangenehm. Aber
nicht nur beim Gillamoos ist zu sehen, wie dringend die deutsche
Parteienlandschaft eine echte Profilerneuerung nötig hat.
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