(ots) - Es war eine Trauerrede, zu der Jean-Claude Juncker
seine Bilanz zur Lage der EU am Mittwoch gemacht hat. Zum zweiten Mal
in seiner Amtszeit musste der Kommissionspräsident in seinem
State-of-the-Union-Report zu wenig Gemeinschaft in der Gemeinschaft,
zu wenig Kooperationsbereitschaft in der Flüchtlingsfrage, zu viel
nationale Interessenpolitik beklagen. Da nützt es nichts, dass
Juncker mit Milliardenprogrammen für Wirtschaftswachstum Europa aus
der Dauerkrise steuern will. Diese nützen vielleicht der Wirtschaft.
Die Solidarität in der EU - sollte es sie je gegeben haben - bringen
sie nicht zurück. Selbst wenn inzwischen sogar die oft für ihre
hegemoniale Europapolitik gescholtene deutsche Kanzlerin gegenüber
Ungarn oder Polen als Bittstellerin für eine gemeinsame
Flüchtlingspolitik auftritt. Dass die Betroffenheit über das System
EU, an dem Juncker jahrzehntelang als luxemburgischer
Regierungsvertreter mitgebaut hat, echt ist, darf allerdings
bezweifelt werden. Denn der Kommissionschef hätte mehr tun können als
bittere Reden zu halten. Er hätte im Rat hörbar mit der Faust auf den
Tisch schlagen können. Er hätte EU-Sanktionen für Verletzungen der
gemeinsamen Werte zur Anwendung bringen können. Er hätte sich
Verbündete im Europaparlament suchen können. Und er hätte mit einem
Paukenschlag zurücktreten können, um ein Zeichen gegen den
Nationalchauvinismus der Mitgliedstaaten zu setzen. All das hat er
nicht getan. Die jährliche Trauerrede auf Europa könnte so Routine
werden.
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