(ots) - Um diesen Auftritt war Jean-Claude Juncker nicht zu
beneiden. Die große "Ruck-Rede" für Europa wurde vom
EU-Kommissionspräsidenten erwartet - ausgerechnet der Chef jener
Institution, die für viele Skeptiker das Übel der Union verkörpert,
sollte bei seiner Ansprache den Königsweg aus der Malaise Europas
aufzeigen. Das konnte nicht gut gehen. Juncker versuchte auch gar
nicht erst, die Ruckerwartungen zu bedienen. Im Gegenteil: So
nüchtern, so pragmatisch, so sehr auf Konsens bedacht hat seit dem
Brexit kaum einer aus der EU-Spitze mehr geredet.
Gut so. Juncker hat auf seine Weise demonstriert, dass die EU ihre
Lektion gelernt hat. Die Zerrissenheit in der Flüchtlingspolitik, der
Brexit, der Aufstieg rechter Bewegungen haben sich zu einer
existenziellen Krise der Union verdichtet. Jetzt geht es nicht um
Visionen und eine Extradosis Europa-Pathos, sondern darum, so gut wie
möglich den Zusammenhalt zu sichern. Nicht mehr Europa, sondern ein
besseres: Es ist die schlichte Antwort auf all jene, die unmittelbar
nach dem britischen Referendum über den EU-Ausstieg zum Durchmarsch
rieten. Die damals vorgelegten Pläne für mehr Integration und neue
EU-Verträge sind nicht mehrheitsfähig. Wer trotzdem weiter an dieser
Jetzt-erst-recht-Schraube dreht, mobilisiert nur in vielen Ländern
die Gegner Europas. Juncker stellt nun klar, Europa werde nicht zum
"Einheitsstaat".
Wichtiger ist, dass Kommission und Regierungschefs jetzt bei der
Sicherheitspolitik an einem Strang ziehen. Die bessere Zusammenarbeit
der Behörden, mehr Datenaustausch, mehr Schutz an den Außengrenzen
sind Vorhaben, die nicht nur Defizite beseitigen. Sie stiften
zugleich neue Einigkeit, weil auch die sonst zögerlichen Osteuropäer
mitmachen.
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