(ots) - "Wir haben bei den im Bundeshaushalt für die die
Verkehrsinfrastruktur eingestellten Mitteln mittlerweile ein Niveau
erreicht, das wir gemeinsam mit vielen Experten lange gefordert haben
und das es ermöglicht, die notwendigen Investitionen in die
Bundesfernstraßen auch tatsächlich durchzuführen. Weitere
ÖPP-Projekte sind daher nicht mehr notwendig und zudem
kontraproduktiv." Dieses erklärte der Präsident des Zentralverbandes
Deutsches Baugewerbe, Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein heute im
Vorfeld des Deutschen Baugewerbetags 2016 in Berlin.
Loewenstein kritisierte vor allem die Politik des
Bundesverkehrsministeriums, ständig weitere ÖPP-Projekte auf den
Markt zu bringen. "Mittlerweile sprechen wir über neun von 24
geplanten Projekten mit einem Gesamtvolumen von neun Mrd. Euro und
einer Länge von 520 km Autobahn. Wir zerstückeln die Autobahnen - und
damit auch den Unterhalt und Erhalt derselben. Das kommt einer
schleichenden Privatisierung gleich." Angesichts der zur Verfügung
stehenden Haushaltsmittel und angesichts ständig steigender
Steuereinnahmen sowie niedriger Zinsen hält der ZDB-Präsident ein
solches Vorgehen für nicht notwendig. Loewenstein bemängelte darüber
hinaus die Einengung des Bieterwettbewerbs auf die immer gleichen
vier bis fünf internationalen Baukonzerne und Finanzinvestoren. "Der
Wettbewerb wird ausgeblendet und der gesamte Bau-Mittelstand komplett
von einem wichtigen Aufgabenfeld verdrängt." Hinzu kommt, dass die
weitere Vergabe von ÖPP-Projekten die Planungskompetenz der
zukünftigen Infrastrukturgesellschaft einengt.
Loewenstein wandte sich im Interesse des deutschen
Baumittelstandes in aller Deutlichkeit gegen diese Politik und
forderte zur konventionellen Vergabe auch im Autobahnbau schleunigst
zurückzukehren.
Das Baugewerbe begrüßt die Einrichtung einer
Infrastrukturgesellschaft grundsätzlich. Der ZDB-Präsident verlangte
aber im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung eine schlanke
Managementgesellschaft, "die die Vor-Ort-Kompetenz der Länder sowie
der Planungsbüros und Bauunternehmen bei Planung und Bauausführung
nutzt".
Loewenstein weiter: "Dagegen ist eine umfassende Zentralisierung
der Verwaltung einschließlich Planung und Auftragsvergabe
ausschließlich auf Bundesebene nicht sinnvoll und daher abzulehnen.
Wir brauchen keine neue Mammutbehörde. Es steht dann nämlich zu
befürchten, dass verstärkt in ÖPP vergeben wird, was eine
wettbewerbliche Beteiligung des Mittelstandes ausschließt. Der
Mittelstand aber ist es, der regional Arbeits- und Ausbildungsplätze
sichert."
Loewenstein betonte vor allem die Verantwortung des Bundes für
eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur als Teil der öffentlichen
Daseinsvorsorge und forderte: "Der in den letzten Jahren aufgelaufene
Investitionsstau muss über Steuer- und Nutzermittel finanziert sowie
konventionell vergeben und ausgebaut werden."
Eine in diesem Zusammenhang verfolgte organisatorische Trennung
zwischen Autobahnen als Leistungsnetz und den weniger
leistungsstarken Bundesstraßen bei den Ländern erteilte er eine
Absage.
Im Hinblick auf die Finanzausstattung der Kommunen zur
Finanzierung ihrer Infrastruktur blickt der Präsident des größten und
ältesten Bauverbandes in Deutschland sorgenvoll in die Zukunft.
"Denn mit der Einigung zwischen Bund und Ländern über die
Fortführung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen über 2019 hinaus wird
der Bund nämlich keine Mittel mehr an die Länder für Investitionen
zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden über ca.
1.300 Mio. EUR, davon ca. 780 Mio. EUR für den Straßenbau, mehr
bereitstellen. Dieses ist nun allein Sache der Bundesländer, die
"ihre" Städte und Gemeinden mit langfristig stabilen hohen Budgets
auszustatten müssen. Ob sie dieses tatsächlich auch zu leisten
vermögen, sieht der ZDB-Präsident angesichts der ab 2020 auch auf
Landesebne geltenden Schuldenbremse skeptisch.
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