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Westfalenpost: US-Präsidentenwahl

ID: 1422641

(ots) - Natürlich könnten wir uns gemeinsam empören - über
ein Land, das jemanden zum Präsidenten wählt, der gegen Zuwanderung,
internationale Handelsströme, Medien und Minderheiten wettert, der
Frauen im Allgemeinen und seine Konkurrentin Hillary Clinton im
Besonderen schamlos verunglimpft. Aber das ändert nichts. Trotz allem
könnte uns die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA eine
Lehre sein. Sie zeigt nämlich, was Menschen zu tun bereit sind, wenn
sie das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben. Wenn
sie glauben, dass die von ihnen gewählten Politiker mit den großen
Konzernen und auch den Medien irgendwie unter einer Decke stecken, um
sich die Taschen voll zu machen. Wer am Wohlstand nicht selbst
teilhaben kann, wem schwindelig wird vom Zusehen, wie schnell sich
unsere digitalisierte und scheinbar grenzenlose Welt inzwischen
dreht, der entschließt sich an der Wahlurne zu radikalen Lösungen.
Donald Trump ist kein Betriebsunfall. Seine Wähler haben genau
gewusst, was sie tun. Trump verspricht ihnen Entschleunigung. Und es
ist völlig egal, ob er dieses Versprechen halten kann. Zur Wahrheit
gehört aber auch, dass die USA eben nicht im Kern aus den
weltläufigen, aufgeklärten Eliten an der Ost- und der Westküste
bestehen. Vielmehr interessiert sich ein großer Teil der Amerikaner
kaum für Washington und New York, schon gar nicht für den Rest der
Welt. Das riesige Land hat nur Grenzen mit Kanada und Mexiko.
Wiedererstarken der Nationalstaaten Am Ende geht es um Stimmungen,
die Zeit der Argumente und Fakten scheint überholt zu sein. Dies ist
kein Phänomen, das die USA für sich exklusiv besitzen. In Russland
steht Wladimir Putin dafür, in der Türkei Recep Erdogan, in Ungarn
Viktor Orban und in Frankreich gehörte Marine Le Pen zu Trumps ersten
Gratulanten. Der Rückzug in die eigenen vier Wände findet nicht nur




im Kleinen, sondern auch im Großen statt. Im Ergebnis erleben wir ein
Wiedererstarken der Nationalstaaten und ihrer Grenzen. In Europa
verlassen die Briten die europäische Gemeinschaft, obwohl die
Argumente der Brexit-Befürworter teilweise fadenscheinig sind,
teilweise schlicht falsch. Hauptsache, wir sind wieder unter uns. Die
Diskussion ist eröffnet In Deutschland erleben wir angesichts der
Wahlentscheidung in den USA vielerorts Sorge, manchmal Bestürzung
oder Angst. Die AfD dagegen frohlockt. Kein Wunder. Die Strategie,
die Trump in den USA erfolgreich machte, gilt auch als das
Erfolgsrezept der Rechtspopulisten in unserem Land. Das Gegenmittel
ist Aufklärung im besten Sinne. Die Europäische Union müsste - ganz
banal - für jeden verständlich erklären können, warum diese
internationale Gemeinschaft ohne Alternative ist. Das wäre ein
Anfang. Politisch Verantwortliche im Bund, den Ländern und den
Kommunen dürfen nicht länger zulassen, dass sich ganze
Bevölkerungsgruppen abgehängt fühlen. Doch das Thema ist größer. Was
tun wir gemeinsam dagegen? Und wie konsequent verteidigen wir
eigentlich unsere Werte, die eben nicht selbstverständlich sind.
Meinungsfreiheit zählt dazu. Die Diskussion ist eröffnet und wir als
Zeitung wollen dazu gern unseren Beitrag leisten.



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 - Leitartikel von WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock
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Datum: 09.11.2016 - 20:16 Uhr
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