(ots) - Es ist die Hoffnung, die bekanntlich zuletzt
stirbt. Die Regierungen in Europas Hauptstädten sind nach dem
Wahlergebnis in den USA ebenso nervös wie Konzernchefs. Schottet
der künftige US-Präsident die größte Volkswirtschaft vom Rest
der Welt ab? Dabei siecht doch das europäisch-amerikanische
Freihandelsabkommen TTIP schon länger dahin. Genau genommen seit den
ersten Verhandlungsrunden. Wenn das Vorhaben eines gemeinsamen
transatlantischen Wirtschaftsmarktes aber nun tatsächlich auf Eis
gelegt oder gar beerdigt werden sollte, hat das nur wenig mit der
künftigen Regierung von Donald Trump zu tun. Denn das Prinzip
»America first« wird schon seit 15 Verhandlungsrunden verteidigt
und hat die Europäer ein ums andere Mal massiv verärgert.
Washington wollte wichtige Bereiche wie Aufträge der öffentlichen
Hand oder für den inneramerikanischen Handel nie wirklich für
Wettbewerber zugänglich machen. Es soll niemand so tun, als sei Trump
der Erfinder des amerikanischen Protektionismus. Den gibt es schon
seit George W. Bush. Und auch sein Nachfolger Barack Obama hat an
diesen Prinzipien nicht gerüttelt. TTIP entpuppte sich im Laufe der
Verhandlungen immer mehr als ein Instrument, das vor allem die USA
nutzen wollten, um ihren Fuß in den europäischen Binnenmarkt zu
bekommen. Wenn TTIP ausgesetzt wird, schaden sie sich also selbst
viel mehr als Europa. Hinzu kommt, dass die EU durchaus andere
Partner finden könnte, wenn sich die politische Großwetterlage ändern
würde. Schon heute entwickeln sich intensive Wirtschaftsbeziehungen
zu den Staaten der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft wie
Aserbaidschan - übrigens mit der ausdrücklichen Billigung Russlands.
Und auch die Idee Wladimir Putins von einem gemeinsamen
Wirtschaftsraum vom Atlantik bis nach Sibirien ist nicht wirklich
vom Tisch. Das wird man dem neuen US-Präsidenten möglicherweise
erst noch aufzeigen müssen, damit er versteht, dass es bei TTIP sowie
anderen Freihandelsverträgen nicht um den Ausverkauf der USA geht,
sondern auch darum, den Westen ökonomisch zusammenzuhalten. Denn an
einer EU, die sich - trotz aller aktuellen Widerstände und Brüche -
am Ende immer intensiver mit Moskau und Peking verbrüdert, kann auch
Donald Trump nicht gelegen sein. TTIP mag in der Öffentlichkeit
umstritten, teilweise sogar verhasst sein. Für die Wirtschaft wäre
eine Kopie des kanadischen Ceta-Vertrages, den man mit Washington
schließen würde, ein immenser Fortschritt. Vielleicht sollte man
Trump nur ein wenig Zeit lassen, um seine rustikalen Wahlkampfsprüche
mit der politischen Realität in Einklang zu bringen.
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