(ots) - Es war ein Schock für Europa, als man nach den
Anschlägen von Paris und Brüssel feststellen musste, dass Terroristen
nahezu ungehindert in die EU einreisen, sich bewaffnen und
organisieren konnten. Und dieses Erschrecken wurde mit jedem
Gewaltakt größer, bei dem man herausfand, dass Täter durch
bestenfalls lückenhafte Kontrollen nicht aufzuhalten waren. Bis 2020
will Europa diese Situation beseitigen. »Etias« heißt die Antwort,
ein Reiseinformationssystem, die europäische Kopie des amerikanischen
»Esta«-Systems, bei dem man sich zuerst anmelden und persönliche
Informationen übermitteln muss, ehe es eine Erlaubnis zur Einreise
gibt. Die EU will auf diesem Weg Terroristen, kriminelle und illegale
Einwanderer stoppen - schon deutlich vor dem Erreichen der Grenze.
Diese Erfassung bedeutet, dass jeder Nicht-EU-Bürger, der in den
Schengen-Raum einreisen will, vorher erfasst wird: entweder durch ein
Visum oder mit Hilfe der vorherigen Registrierung samt Abgleich mit
allen europäischen Fahndungscomputern. Das klingt gut, weil man sich
am US-Vorbild orientiert hat, das einfach und schnell zu bedienen
ist. Die Frage aber bleibt, welche Daten die EU-Behörden dabei
erheben wollen. Denn offenbar will man nicht nur radikale Islamisten
und Kriminelle aussortieren, sondern auch noch Fragen zur Gesundheit
stellen. Das macht angesichts immer wieder aufbrechender Seuchen in
afrikanischen oder asiatischen Staaten Sinn, stellt aber enorme
Anforderungen an Datensicherheit. Besser, die Kommission hätte nicht
nur »Etias« vorgestellt, sondern auch den Datenschutz gleich
mitgeliefert. Dennoch bleibt die Frage, wie effizient ein solches
System sein kann. Denn dafür wird die Zusammenarbeit mit den
Sicherheitsbehörden jener Staaten notwendig sein, deren Bürger nun
dem neuen Einreisesystem unterworfen werden. Ohne Mithilfe der
dortigen Behörden, die Erkenntnisse über potenzielle Terroristen oder
Kriminelle zur Verfügung stellen, bleibt »Etias« blind. Bisher klappt
ja nicht einmal der Informationsaustausch der EU-Staaten miteinander.
Und als die Türkei vor den Brüsseler Anschlägen Informationen über
die späteren Täter nach Belgien liefern wollte, blieben diese
unbearbeitet im Apparat stecken. »Etias« wird also nur so gut sein
können, wie die Bearbeitung eingehender Erkenntnisse selbst ist. Es
geht um mehr als Lücken im System: Was die Dienste der EU-Länder
wissen, behalten viele für sich. Solange das der Fall ist, kann sich
für eine Einreise in die EU anmelden, wer will - auffallen würde er
nicht. Bevor »Etias« mutmaßlich 2020 in Betrieb geht, muss man erst
die bisherigen Defizite beseitigen. Sonst ist das System vielleicht
nicht wertlos, aber ganz sicher nicht zielführend.
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