(ots) - Erst die Erklärung der CDU-Vorsitzenden - zur
besten Sendezeit im Fernsehen - dass sie noch einmal als
Kanzlerkandidatin antreten werde. Und dann am Abend noch ihre lange
Zuschaltung in die Talkshow von Anne Will. Angela Merkel zog gestern
alle medialen Register, um mit ihrer Entscheidung zur vierten
Kandidatur wieder in Vorhand zu kommen. Zuletzt war sie vom
Präsidentenkandidaten-Coup des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ins
Hintertreffen geraten. Nun aber lässt die längst nicht mehr
unumstrittene Kanzlerin bereits zwei Wochen vor dem CDU-Parteitag in
Essen die Katze aus dem Sack. Die Spatzen pfiffen es längst von den
Dächern. Merkel will nicht nur wiederum die Wahlkampflokomotive der
Union bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr sein, sondern sie muss
es auch. Weder in der CDU, erst recht nicht in der bayerischen
Schwesterpartei zeigt sich ein Bewerber oder eine Bewerberin von der
Statur, der Erfahrung und dem Beharrungsvermögen einer Merkel.
Insofern ist ihre Entscheidung, die sie nach vielen Stunden des
Grübelns getroffen hat, für sie persönlich noch einmal eine riesige
Herausforderung. So relativ leicht, wie Merkel die drei
vorangegangenen Wahlsiege gefallen sind, wird es diesmal nicht
laufen. Zugleich aber ist Merkel für CDU und CSU so etwas wie der
letzte Trumpf, den die beiden Parteien aufzubieten haben. Seehofer
scheut die Herausforderung im Bund. Ihm ist die Landtagswahl 2018
allemal wichtiger, als in Berlin nach der nächsten Bundestagswahl als
Verlierer vom Platz zu gehen. Zudem wirken offenbar auch die
leidvollen Erfahrungen von Franz Josef Strauß vor 36 Jahren und von
Edmund Stoiber vor mittlerweile auch schon wieder 14 Jahren. Beide
CSU-Größen wurden zwar für ganz Deutschland als Kanzler als zu leicht
befunden, doch ihrer Popularität und ihrem Erfolg im Freistaat tat
die Niederlage keinen Abbruch. Im Gegenteil. Eine Herausforderung ist
Merkels Kandidatur dabei nicht nur für die eigene Partei, in der es
vom tief konservativen Rand mächtig grummelt, sondern vor allem für
die Christsozialen in Bayern. Die Reaktionen von Seehofer und Söder
auf Merkels Entschluss kommen wie aus dem Tiefkühlschrank. Man habe
noch viel Arbeit vor sich. Freude, gar Euphorie über die
Kanzlerkandidatin Merkel sieht anders aus. Und von Aufbruchstimmung,
die bei den letzten drei Bundestagswahlen noch laut zelebriert wurde,
ist schon gar nichts zu spüren. Noch ist nicht einmal klar, ob
überhaupt und wie CSU-Wahlkämpfer die Weiter-So-Kanzlerin im nächsten
Jahr unterstützen werden. Der Frust über deren standhafte
Verweigerung einer Flüchtlings-Obergrenze sitzt tief. Eine
Herausforderung ist Merkel natürlich auch für den
Noch-Koalitionspartner SPD. Ihre Ausrufung erhöht den Druck auf
Parteichef Sigmar Gabriel, nun auch bald die Karten offen zu legen
und den Hut in den Ring zu werfen. Auch neben, vor und hinter Gabriel
klafft eine personelle Lücke in der SPD. Der von manchem ins Gespräch
gebrachte EU-Parlamentschef Martin Schulz ist selbst in Deutschland
viel zu unbekannt, um ein ernsthafter Aspirant in der K-Frage zu
sein. Für die Opposition innerhalb und außerhalb des Bundestages
bietet sich die Langzeit-Kanzlerin wiederum als Reibungsfläche an.
Linke und Grüne, bislang mangels Klasse und Masse im Bundestag nicht
sonderlich aufgefallen, werden ihr soziale und ökologische
Versäumnisse aufs Butterbrot schmieren. Und die
populistisch-nationalistische AfD dürfte die Merkel-Muss-Weg-Karte im
Wahlkampf ziehen - und damit sicher ins Parlament einziehen. Einfach
wird es für die Kandidatin Merkel auf keinen Fall.
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