(ots) - Es ist ruhiger geworden bei den deutschen
Konservativen. Zumindest scheint es so: Der Gegenwind, der Angela
Merkel wegen ihrer Haltung in der Flüchtlingspolitik noch vor einem
Jahr von der Basis der CDU und vor allem von der CSU entgegenbrauste,
ist abgeflaut. Selbst CSU-Chef Horst Seehofer stellt sich voll hinter
die erneute Kanzlerkandidatur Merkels. Aus Sicht der Union ist das
die einzige vernünftige Haltung. Und aus Sicht der Union ist es
wünschenswert, wenn Merkel in der kommenden Woche beim CDU-Parteitag
mit einem starken Ergebnis gewählt wird. Denn die Kanzlerin ist für
Christdemokraten und Christsoziale momentan alternativlos. Welcher
Unionspolitiker sollte statt ihrer antreten? Wer sich um den Platz an
der Regierungsspitze bewirbt, muss erstens ein ähnliches politisches
Geschick haben wie die Kanzlerin und zweitens den nötigen Rückhalt in
den eigenen Reihen. Und kein Unionspolitiker mit diesen Eigenschaften
ist in Sicht. Merkel hat Geschick bewiesen, indem sie solange für den
EU-Türkei-Pakt geworben hat, bis er umgesetzt war. Das ist ein
wichtiger Grund dafür, dass seither weniger Flüchtlinge nach
Deutschland kommen. Vor allem deswegen ist der Rückhalt für sie
wieder gewachsen. Das Problem besteht trotzdem weiter:
TausendeMenschen stranden Woche für Woche in Italien, eine
europäische Lösung der Flüchtlingskrise ist nicht in Sicht. Aber in
Deutschland hat das Problem an Brisanz verloren - und das ist,
zumindest innenpolitisch, ein Erfolg für Merkel. Der zweite Grund,
weshalb die Union nicht an Merkel vorbeikommt: Die Kanzlerin steht
für Kompromiss und Ausgleich. Und dieses Image brauchen CDU und CSU,
wenn sie sich auch am Wahlabend im September 2017 noch als
Volkspartei fühlen wollen. Damit das gelingt, müssen die
Unionsparteien für traditionell-konservative Wähler attraktiv sein,
die skeptisch in die Zukunft blicken, die Einwanderung, Homo-Ehe und
europäische Integration skeptisch sehen - und gleichzeitig für
neu-konservative, die liberalere Ansichten haben. Trotz der scharfen
Kritik in der Flüchtlingskrise ist kein anderer Unionspolitiker für
diesen politischen Balance-Akt besser geeignet als Merkel. So
vernünftig die vierte Merkel-Kandidatur für die Union ist - für die
politische Kultur in Deutschland birgt sie ein großes Risiko. Die
Kanzlerin hält ausgerechnet jetzt, im Jahr der politischen Schocks in
Deutschland (die AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen) und im Ausland
(das Brexit-Votum und die Wahl Donald Trumps), an ihrer Macht fest.
Dass die Bundestagswahl nicht zum nächsten Erdbeben wird, können die
etablierten politischen Parteien nur mit viel Mut verhindern. Sie
müssen sich stärker voneinander abgrenzen: Für die Wähler muss klar
erkennbar sein, was das SPD-Programm von jenem von CDU und CSU
unterscheidet; wie Grüne, FDP und Linke die Gesellschaft voranbringen
wollen - und wie alle genannten Parteien sich wiederum von der AfD
unterscheiden. Die traditionellen Parteien müssen sich streiten, sich
aneinander reiben. Ihre Spitzenpolitiker müssen auch dorthin gehen,
wo es wehtut: Zu den Abgehängten der Gesellschaft und zu allen, die
Angst vor der Zukunft haben. Die Politiker müssen auch diesen
Menschen ihr Programm erklären - und so ein starkes Signal setzen
gegen das beängstigend weit verbreitete Gefühl, dass "die da oben" zu
weit weg sind vom Alltag der meisten. Wenn die Wahlkämpfer in den
nächsten Monaten das schaffen, dürfen sich die Bürger auf eine
spannende Bundestagswahl freuen. Und spannende Wahlen sind die
einzige vernünftige Alternative für alle, denen die Demokratie am
Herzen liegt. Alternativlos, sozusagen.
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