(ots) - Was ist eine »postfaktische Politik«? Lassen wir
zunächst die Fakten sprechen. Das Online-Lexikon Wikipedia versteht
darunter ein »politisches Denken und Handeln, bei dem Fakten nicht
mehr im Mittelpunkt stehen«. Während in einem demokratischen Diskurs
»nach dem Ideal der Aufklärung über die zu ziehenden
Schlussfolgerungen aus belegbaren Fakten« gestritten werde, werde in
einem postfaktischen Diskurs »gelogen, abgelenkt oder verwässert«.
Die Definition, die uns Wikipedia liefert, ist allerdings nicht ganz
richtig. Auch jene, denen jetzt postfaktisches Denken unterstellt
wird, berufen sich in ihrer Argumentation auf Fakten. Wer zum
Beispiel behauptet, dass eine Person, die von einem nach Deutschland
geflüchteten Menschen ermordet wurde, noch leben würde, hätte man
diesen Menschen nicht nach Deutschland einreisen lassen, hat ja
durchaus recht; sein Argument lässt sich faktisch nicht widerlegen.
Das Problem der postfaktischen Politik ist anderer Natur. Es fehlt
ihr ein wichtiges Element der Aufklärung, ohne das ein
vernunftbegabter Diskurs nicht möglich ist: die Empathie. »Er ist ein
Mann von Verstande, aber von ganz gemeinem Verstande«, lässt Goethe
den jungen Werther über dessen kühl kalkulierenden, aber herzlosen
Arbeitgeber reden. Wer nur über den Tod von Angehörigen der eigenen
Nationalität oder des eigenen Kulturkreises sich zu empören vermag,
ist von wahrlich ganz gemeinem Verstande.
Pressekontakt:
neues deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1722
Original-Content von: neues deutschland, übermittelt durch news aktuell