(ots) - Die Große Koalition ist ein Paradoxon. Keiner will
sie wirklich, und dennoch kriegt Deutschland sie immer wieder.
Derzeit amtiert schon die dritte, die vierte naht. Große Koalitionen
sind nicht gerade demokratieförderlich. Die Machtverhältnisse
zwischen Regierung und Opposition betragen ungefähr zwei Drittel zu
einem Drittel, das ist erdrückend. In Österreich haben Große
Koalitionen die Volksparteien regelrecht ruiniert. Kein Wunder, dass
Herzensdemokraten wie Parlamentspräsident Norbert Lammert vor einer
Wiederholung warnen. Und dass auch viele Mitglieder in Union und SPD
sich nach Alternativen sehnen. Doch dazu müssten diese Alternativen -
Ampel-Koalition, Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün, was auch immer -
überhaupt erst einmal durchdacht sein, müsste es Konturen für andere
Regierungsprogramme geben. Das würde die Fantasie wecken. Weder kann
man sich heute ein funktionierendes Bündnis von Schwarzen und Grünen
vorstellen noch gar eins aus SPD, Grünen und Linken. Die SPD hat
wenigstens begonnen, erste Gesprächsfäden zu knüpfen. Bei der CDU
wird das aus Angst, Stammwähler zu verprellen, noch peinlichst
vermieden. Angela Merkel setzt auf die Große Koalition. Nach Lage der
Dinge werden 2017 sechs Parteien in den Bundestag einziehen, die CSU
mitgezählt sogar sieben. Wenn Norbert Lammert sagt, dass auch die
Wähler in der Pflicht seien, eine Neuauflage der Großen Koalition zu
verhindern, spricht daraus der Wunsch, dass es wieder weniger
Parteien werden sollen. Dass die rechten Wähler die AfD rechts liegen
lassen und die Linken die Linke. Ganz wie in den schönen
1970er-Jahren, als die FDP der alleinige Königsmacher war. Später
kamen die Grünen hinzu. Nur kommt die gute alte Zeit nicht wieder.
Die Bindungen an Parteien sind mit den sozialen Milieus geschwunden.
Die Zukunft liegt eher in Zuständen wie in der Stadt Berlin, wo fünf
Parteien - AfD, CDU, SPD, Grüne und Linke - ziemlich gleichauf bei 20
Prozent liegen, die FDP kommt dann noch dazu. In solchen Parlamenten
muss fast jeder mit jedem können, um eine Regierung zu bilden. Da
gehen nur noch Dreierbündnisse, die im Fall Berlin allein 270 Seiten
für einen Koalitionsvertrag brauchen. Das ist gewiss nicht arbeits-
und leistungsfähiger als eine Große Koalition und wahrscheinlich auch
nicht besser. Vielleicht muss man sich von der alten, strengen
Farbenlehre verabschieden. Vielleicht muss auch den Wählern wichtiger
sein, wie handlungsfähig ein Regierungsbündnis ist und wie
vertrauenserweckend seine Politiker. Auf das Ergebnis einer Koalition
kommt es an. Nicht wie sie heißt.
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