(ots) - Mit seinem Urteil, die NPD nicht zu verbieten,
hat das Bundesverfassungsgericht seine Unabhängigkeit bewiesen. Weder
die Tatsache, dass der Verbotsantrag vom Bundesrat ausging, noch der
öffentliche Ruf nach einem NPD-Verbot haben die Richter in ihrer
Entscheidung beeinflusst. In der Urteilsbegründung des Gerichts heißt
es, die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele. Dass die
Partei diese Ziele aber tatsächlich erreiche, erscheine
ausgeschlossen. Dazu fehle es an konkreten, gewichtigen
Anhaltspunkten. Es ist gut und konsequent, dass die Richter den
Verbotsantrag nach rein juristischen Kriterien bewertet haben. Diese
juristische Unabhängigkeit ist enorm wichtig, weil sie die
Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates stärkt. Gerade in einer Zeit,
in der die Demokratie durch die wachsende Gefahr von rechts auf die
Probe gestellt wird, sollen Bürgerinnen und Bürger in Recht und
Gesetz vertrauen können. In einer Zeit, in der AfD, Pegida, Front
National oder FPÖ die politische Debatte anheizen und in der
Öffentlichkeit Wut schüren, ist es wichtig, dass die Gerichte
besonnen und nach rein juristischen Maßgaben arbeiten. In der
Begründung des NPD-Urteils stehen allerdings auch Sätze, die zu
denken geben. Dort liest man: Die NPD wolle die "freiheitliche
demokratische Grundordnung" beseitigen. Sie missachte das
Demokratieprinzip. Sie verletze mit ihrem Volksbegriff die
Menschenwürde. Die rechtsextreme Partei weise sogar eine "deutliche
Parallelen zum Nationalsozialismus auf. Klar ist: Die Anhänger dieser
Partei verachten die Freiheit, sie diskriminieren Menschen, sie haben
eine antisemitische Gesinnung. Sie kennen keine Toleranz, sondern nur
Aggression und Hetze. Klar ist aber auch: Ein Parteiverbot kann nicht
die Gedankenwelt der Menschen eingreifen. Ein Neonazi bleibt im Herz
ein Neonazi, auch wenn Richter seine Partei via Gerichtsbeschluss
verboten haben. Dass ein Verbot der falsche Weg ist, hat der Fall des
Freien Netz Süd gezeigt. Die rechtsextreme Organisation wurde am 23.
Juli 2014 verboten. Beim Freien Netz Süd handelte es sich zwar um
keine Partei, aber mit etwa 20 angegliederten rechtsextremen
Kameradschaften um den größten neonazistischen Dachverband in Bayern.
Und was ist nach deren Verbot passiert? Haben die Neonazis ihre
fremdenfeindliche Gesinnung nach dem Beschluss neu überdacht?
Natürlich nicht. Die früheren Mitglieder des Freien Netz Süd haben
sich unter neuem Namen in der Organisation Dritter Weg neu formiert.
Die Köpfe sind die gleichen wie früher. Und in den Köpfen auch die
gleichen Gedanken. Dieser Fall zeigt: Selbst mit einem Verbot ist das
Problem des Rechtsextremismus und Neonazismus in unserer Gesellschaft
nicht gelöst. Das gleiche gilt für die NPD: Das Verfahren ist
abgeschlossen, die rassistische Gesinnung geistert weiter in unserer
Gesellschaft herum. Deswegen gilt es jetzt, die warnenden Sätze aus
der Urteilsbegründung des Verfassungsgerichts ernst zu nehmen. Auch
wenn die NPD schrumpft und derzeit nur noch etwa 5000 Mitglieder
bundesweit hat, gilt es die Demokratie weiterhin vor Angriffen zu
schützen. Der menschenverachtenden Rhetorik der Neonazis müssen
besonnene und differenzierte Argumente entgegengesetzt werden.
Andreas Voßkuhle, Präsident des Verfassungsgerichts, betonte bei der
Urteilsverkündung in Karlsruhe, dass ein Parteiverbot "kein
Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot" sei. Er gab aber noch einen
anderen, wichtigen Hinweis, der über das Urteil hinausweist. Einer
Partei könne die staatliche Parteienfinanzierung entzogen werden.
Dies habe nicht das Verfassungsgericht zu entscheiden, sondern der
Gesetzgeber. Wenn der NPD der Geldhahn zugedreht werden würde, würde
es für die Partei schwieriger werden, Kundgebungen und
Veranstaltungen zu organisieren, bei der sie ihre Hetze verbreiten
kann. Die Regierung sollte diesen Hinweis Voßkuhles erst nehmen.
Schließlich geht es um ein wertvolles Gut: den Schutz unserer
Demokratie.
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