PresseKat - Lausitzer Rundschau: Grenze zur Blauäugigkeit Zum NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Lausitzer Rundschau: Grenze zur Blauäugigkeit

Zum NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

ID: 1445494

(ots) - Das Karlsruher Urteil zur NPD ist ein herber
Rückschlag. Die Richter haben es aus grundsätzlichen Erwägungen
erneut abgelehnt, die Auflösung der Partei zu verfügen. Die
Rechtsradikalen werden sich nun ermuntert fühlen. Die NPD sei nicht
stark genug, um den Rechtsstaat kaputt zu machen, lautet die
Begründung. Einmal mehr zeigt sich: Rechtsstaaten lassen sich sehr
lange verhöhnen, ehe sie wehrhaft werden. Die Grenze zur
Blauäugigkeit ist nah. In manchen Orten Ostdeutschlands wird man es
ganz anders empfinden als aus der Perspektive von Karlsruhe. Bei der
NPD ist der Bezug zu Hitler kein unzulässiger Vergleich: Auch der
wurde demokratisch gewählt, um sich dann aller Regeln der Demokratie
und Menschenrechte sofort zu entledigen. Immerhin hat das
Verfassungsgericht, das ist das einzig Positive, festgestellt, dass
die NPD tatsächlich die Werte des Grundgesetzes bekämpft. Und deshalb
hat es die staatlichen Instanzen in Nebensätzen ermuntert,
antidemokratische Aktivitäten dieser Neonazis, ob es
Einschüchterungen sind oder die Nutzung verfassungsfeindlicher
Symbole, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verfolgen. Sogar eine
gesetzliche Regelung zum Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung
stellt das Gericht anheim. Damit sind zwei Instanzen am Zuge, die
sich dem Verfahren nicht anschließen wollten: Bundestag und
Bundesregierung. Sie wollten sich nicht zum zweiten Mal eine blutige
Nase in Karlsruhe holen und haben den Verbotsantrag, dieses wichtige
Signal staatlichen Widerstands gegen die Rechtsextremen, den Ländern
überlassen. Das war feige. Nun möchte man vom Bund sehen, dass die
NPD vom Verfassungsschutz umso schärfer überwacht wird, nun möchte
man erleben, dass Initiativen, die lokal gegen sie aufstehen, vom
Bund ausreichend und unbürokratisch gefördert werden, nun möchte man
wissen, dass die Bundespolizei einschreitet, wenn lokale




Polizeibehörden Hassdemonstrationen nicht unterbinden, nun möchte man
koordinierte Aktivitäten gegen die rechte Hetze im Netz registrieren.
Deutschland darf sich von Leuten, die "Gas geben" wollen, brennende
Flüchtlingsheime bejubeln und Bürgermeister bedrohen, nicht auf der
Nase herumtanzen lassen. Das Urteil setzt erneut hohe Hürden für
Partei- und Organisationsverbote und präzisiert sie. Das muss man
akzeptieren. Umso mehr muss sich der Staat aber unterhalb dieser
Hürden wehrhaft zeigen, ehe es zu spät ist. Das gilt nicht nur für
die Nazis, es gilt auch für Salafisten und andere Menschenfeinde.
Unsere Demokratie muss gegenüber allen ihren Herausforderern liberal
und rechtsstaatlich bleiben, sagt Karlsruhe im Kern. So schwer es
auch fällt. Ja, liberal und rechtsstaatlich schon. Aber nicht doof.



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Datum: 17.01.2017 - 20:30 Uhr
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