(ots) - Martin Schulz will Kanzler werden, sagt Martin
Schulz. Nun, alles andere hätte auch ziemlich komisch geklungen.
Wirklich bemerkenswert ist der Halbsatz, den der neue
SPD-Hoffnungsträger mit seinem Machtanspruch verknüpft:
Regierungschef, "in welcher Konstellation auch immer", möchte er
werden. Bekommt Rot-Rot-Grün also doch eine realistische Chance?
Ausgeschlossen ist das nicht. Allein schon deshalb, weil es die SPD
wohl endgültig zerreißen würde, müsste sie nach der nächsten
Bundestagswahl wieder die Juniorpartnerschaft von Angela Merkel
antreten - dann bereits zum dritten Mal. Mit der Großen Koalition, so
viel steht fest, lässt sich kein Genosse mehr hinter dem Ofen
hervorlocken. Die SPD-Mitglieder haben das Bündnis mit der Union
gründlich satt. Auch Sigmar Gabriel wäre als Kanzlerkandidat im
Wahlkampf garantiert kein Verfechter von Schwarz-Rot gewesen. Der
Unterschied besteht allerdings darin, dass Schulz kraft seiner
bundespolitischen Frische zuzutrauen ist, zumindest rechnerisch für
eine Machtoption jenseits der Union zu sorgen. Mit Gabriel wäre das
wohl von vornherein ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. Genauso
gilt freilich auch, dass rechnerische Mehrheiten noch keine
politische Mehrheit bedeuten müssen. Sind Linke und Grüne überhaupt
dazu bereit, den politischen Schwung mitzutragen, den die
Kanzlerkandidatur von Schulz ausgelöst hat? Bei der Linken kann man
sich zumindest darin sicher sein, was sie nicht will: eine weitere
Kanzlerschaft von Angela Merkel. Bei den Grünen ist selbst das
unklar: Katrin-Göring Eckardt und Cem Özdemir halten sich einen
schwarz-grünen Regierungswechsel genauso offen wie einen
rot-rot-grünen. Eine glasklare Wahlkampfstrategie nach der Devise,
wer Grün wählt, der wählt Merkel ab, ist mit den beiden grünen
Spitzenkandidaten also schwerlich kompatibel. Wirklich entscheidend
für eine glaubwürdige Machtperspektive mit Schulz sind am Ende jedoch
inhaltliche Fragen. Auch für eine Koalition mit Linken und Grünen
kann sich die SPD nicht auf die Abschaffung der Nato einlassen, wie
es im Wahlprogramm der Linken steht. Genauso wenig auf die Beendigung
aller Bundeswehreinsätze im Ausland, wie es die Linken ebenfalls
fordern. Auch in der Sozialpolitik gibt es tiefe Gräben. Die Linken
pochen auf ein leistungsloses Grundeinkommen von 1050 Euro im Monat,
auf die Abschaffung von Hartz IV und damit letztlich auf die
Abwicklung der Agenda 2010. Mit solchen Maximalpositionen lässt sich
gewiss kein rot-rot-grüner Staat machen. Hier wird es vor allem auf
Sahra Wagenknecht ankommen. Die Ikone der linken Linken müsste jetzt
endlich Farbe bekennen, ob sie lieber ein sozialistisches
Wolkenkuckucksheim will oder politisch mitgestalten, ob ihre Partei
auf realistische Veränderungen setzt oder weiter auf die bequeme
Oppositionsrolle. Seit der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz sind
solche Probleme nicht mehr nur theoretischer Natur. Denn jetzt sind
die Karten neu gemischt.
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