PresseKat - Mittelbayerische Zeitung: "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zu Holocaust-Gedenktag:

Mittelbayerische Zeitung: "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zu Holocaust-Gedenktag:

ID: 1449537

(ots) - Provokationen, Hetze, Tabubrüche, systematische
Eskalation: Völlig ungeniert ziehen AfD-Politiker vom Schlage des
Rechtsauslegers Björn Höcke alle Register, um den Hass wieder
gesellschaftsfähig zu machen. Wie gefährlich das ist, zeigt aktuell
der starke Anstieg antisemitischer Straftaten in Bayern. Spätestens
jetzt müssten alle Alarmglocken schrillen. Rechtzeitig vor dem
Holocaust-Gedenktag am 27. Januar meldete sich der Ober-Ideologe der
neuen Rechten mit Parolen zurück, die man in dieser Vehemenz lange
nicht gehört hat. Höcke beklagt die "dämliche Bewältigungspolitik"
der Deutschen. Er fordert eine "erinnerungspolitische Wende um 180
Grad". Er bezeichnet das Berliner Holocaust-Denkmal als Schande.
Nein, Herr Höcke! Nicht das Denkmal ist eine Schande, sondern der
Holocaust, bei dem sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet
wurden. Der gelernte Geschichtslehrer Höcke will nicht nur die
Erinnerung an Auschwitz ausradieren. Er betreibt auch noch eine
Täter-Opfer-Umkehr. Es wäre ein fataler Fehler, die rechten Sprüche
als Einzelmeinung abzutun. Viele innerhalb und außerhalb der AfD
bejubeln Höcke für solche Aussagen. Nach seiner Dresdner Rede gewann
die Partei in der Wählergunst hinzu. Das ist ein klarer Hinweis
darauf, dass eine Mehrheit der AfD-Anhänger rechtsradikale Positionen
teilt. Die AfD liefert im bürgerlichen Mäntelchen die ideologische
Munition, die das rechte Fußvolk anstachelt. Es rekrutiert sich aus
Tausenden Neonazis, NPD-Mitgliedern, Reichsbürgern oder, wie wir seit
neuestem wissen, keltischen Druiden - Gruppen, die unverhohlen zum
Kampf gegen den Staat aufrufen und die zum Teil bis an die Zähne
bewaffnet sind. Zum Feindbild der Rechtsextremisten zählen Juden,
Ausländer, Polizisten und Politiker des sogenannten Establishments -
personifiziert durch Kanzlerin Angela Merkel. Die




Schlussstrichdebatte ist nichts Neues. Seit Jahrzehnten ertönt die
Forderung, die Geschichte einer Revision zu unterziehen und die
Diskussion über die NS-Vergangenheit zu beenden. "Wir haben genug
gebüßt, wir haben genug gezahlt, wir wollen nicht ewig die
Sündenböcke sein," lautet das Mantra. Geschichte kennt jedoch keinen
Schlussstrich. Auschwitz ist Teil der deutschen Vergangenheit. Wer
die Erinnerung daran auslöschen will, fordert Geschichtsfälschung.
Beim Gedenken an die Befreiung der Konzentrationslager geht es nicht
nur darum, die Erinnerung an das größte Menschheitsverbrechen
wachzuhalten. Die Botschaft lautet auch, dass sich so etwas nie
wiederholt. Dazu bedarf es einer Erinnerungskultur, die gepflegt
werden muss - zumal die Ära der Zeitzeugen zu Ende geht. Neu an der
aktuellen Debatte um die Erinnerungspolitik ist, dass es mit der AfD
erstmals einer Partei im Nachkriegsdeutschland gelingt, rechte
Parolen in zweistellige Wahlergebnisse umzumünzen. Dadurch entsteht
ein gefährlicher politischer und gesellschaftlicher Brandsatz, zumal
die Vorsitzende Frauke Petry in gewohnter Manier agiert: Sie
bezeichnete Höckes Äußerungen als "Sprengstoff für die Partei". Fast
im selben Atemzug forderte sie, das Grundrecht für Asyl abzuschaffen.
Es entspricht dem AfD-Muster: ein Tabu brechen, vorsichtig auf
Distanz gehen - und dann noch einmal draufhauen. Auch die gelernte
Chemikerin Petry zeigt Geschichtsvergessenheit. Hier sei sie an eines
erinnert: Die Väter des Grundgesetzes haben das Asylrecht nicht aus
"Gutmenschentum" in die Verfassung geschrieben - sondern wegen der
Nazi-Gräuel. Vor wenigen Jahren wäre es schwer vorstellbar gewesen,
dass ein Holocaust-Gedenktag derart von der Diskussion über eine neue
braune Gefahr überlagert wird. Heute erleben wir, dass sich die
Höckes der Republik immer mehr herausnehmen und dass es ihnen
gelingt, Minderheiten zu stigmatisieren. Der 27. Januar 2017 sollte
daher ein Signal an alle Demokraten geben: Durch Deutschland muss ein
Ruck gegen Rechts gehen.



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Datum: 27.01.2017 - 19:21 Uhr
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