(ots) - Aus Worten wurden ab 1933 Taten, und aus Worten
können wieder Taten werden. Die Forderung des AfD-Politikers Höcke
nach einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad" und sein
Angriff auf das "Denkmal der Schande" in Berlin haben zwar nicht den
unmittelbaren Zweck, wieder Massenmorde zu begehen. Aber die Aussagen
dienen dazu, eine moralische Barriere für ein hartes Vorgehen gegen
Flüchtlinge, Ausländer und später vielleicht auch gegen anders
Denkende und Lebende zu schleifen. Es ist ein neuartiger Angriff auf
das Gedenken an den Holocaust, mit einem neuen Motiv. Es war mehr als
verständlich, dass die Organisatoren des Gedenkens in Buchenwald
Höcke am Freitag ausgeladen haben. Er ist Dunkel-Deutschland und
gehört da nicht hin. Es gibt weitere neuartige Angriffe: Im Internet
werden Verschwörungstheorien und Fake-News vielfach geteilt. Alte und
neue Nazis, Reichsbürger, fremde Mächte, Israel-Gegner, sie alle
spielen damit herum. Und dann gibt es eine dritte große Gefahr: die
Sorglosigkeit der Jugend. In den Selfies am Holocaust-Mahnmal kommt
das zum Ausdruck, ebenso in gedankenloser Sprache ("Du Opfer", "Du
bist ja behindert"). Es wird in Deutschland zwar schon viel getan, um
sie über das Geschehen aufzuklären, aber das wird immer schwieriger,
je länger die Massenmorde der Nazis zurückliegen. Die unmittelbaren
Augenzeugen sind schon fast alle gestorben. Vor diesem Hintergrund
sollten die demokratischen Institutionen die Erinnerungskultur nun
erheblich verstärken. Keine Drehung um 180 Grad, sondern eine
Intensivierung um 100 Prozent. In Deutschland als dem Land der Täter
muss immer deutlich sein, dass alles getan wird, so etwas nie wieder
zuzulassen. Der Vorschlag, alle deutschen Schulklassen wenigstens
einmal in eine Gedenkstätte zu schicken, ist deshalb sehr richtig. Er
erfordert ein entsprechendes gut finanziertes und organisiertes
Programm. Bund, Länder und Kommunen sollten zudem Gedenk-Initiativen
großzügig fördern. Ebenso Projekte, die die Aussagen der letzten
Augenzeugen dokumentieren. Die "Stolpersteine" sollten vor den
Häusern der deportierten Juden auch gegen den Willen der heutigen
Hausbesitzer angebracht werden dürfen. Und gegen
Holocaust-Verharmloser, ob unter Islamisten, Alt-Nazis oder in der
AfD, muss rechtlich und praktisch aggressiver vorgegangen werden.
"Die Menschen sind und bleiben zur Unmenschlichkeit imstande", sagt
die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch. Das zu verhüten, muss
der Anspruch jeder Politik sein. Knoblochs Satz gilt zwar universell.
Deutschland aber hat die Chance, das seiner jungen Generation am
Beispiel der eigenen Geschichte deutlich zu machen, nicht irgendwo in
der Ferne. Es sollte diese Chance sehr entschlossen nutzen, jetzt, da
das Unheil wieder den Kopf hochstreckt.
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