(ots) - Auch wenn der Konzern »Volkswagen« heißt: Den
Kontakt zum Volk scheint man in Wolfsburg zwischendurch verloren zu
haben. Dabei könnten Vorstand und Aufsichtsrat einiges lernen, hätten
sie ihr Ohr nur etwas näher am Volk. Dort würden sie erfahren, dass
man in der Not sparen und zusammenstehen muss. Mehr als zwölf
Millionen Euro Abfindung nach nur 13 Monaten Vorstandstätigkeit für
die Managerin Christine Hohmann-Dennhardt sind ein falsches Signal -
zumal wenn gleichzeitig neue Arbeitsplätze, die im »Zukunftspakt«
zugesagt wurden, ausbleiben. Kein Wunder, dass der Betriebsrat
verärgert ist.
Dass er aber öffentlich Vorstand und Aufsichtsrat ein Ultimatum
stellt, beweist: Im Staate Wolfsburg ist noch mehr faul als im Zuge
des Abgasskandals schon bekannt geworden ist. Das eigentliche Ziel
des Betriebsrats ist die Abberufung von Markenvorstand Herbert Diess.
Man habe kein Vertrauen mehr in ihn, heißt es.
Solche personellen, von Männerbünden geprägten Querelen kommen
auch in anderen Konzernen vor. In Wolfsburg hat der Betriebsrat sogar
aufgrund seiner starken Stellung gewisse Chancen, Diess loszuwerden -
sofern er die Vertreter des Landes Niedersachsen als Miteigentümer
auf seine Seite ziehen kann. Doch Einfluss bedeutet auch
Verantwortung. Solche Diskussionen werden zunächst hinter und nicht
vor dem Werkstor geführt.
Noch schwerhöriger, was den Ratschlag des Volkes betrifft, scheint
Ferdinand Piëch zu sein. Der 79-jährige Großaktionär und
Ex-Konzernchef sieht ausgerechnet in der Abgassaffäre die Chance,
seine Fehde mit dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Martin
Winterkorn wieder aufleben zu lassen. Selbst ohne den Hinweis, er
habe sie vom israelischen Inlandsgemeindienst, besitzt seine
Information Sprengkraft: Vorstand und Aufsichtsrat hätten Anfang März
und nicht erst im September 2015 von den Manipulationen am
Abgassystem erfahren. Trifft dies zu, wurden die Aktionäre durch die
späte Veröffentlichung geschädigt und haben Anspruch auf
Schadensersatz.
Piëchs Intervention zielt zwar in erster Linie gegen Winterkorn,
bringt aber sozusagen als Kollateralschaden auch einen führenden
Sozialdemokraten in Probleme: Niedersachsens Ministerpräsident
Stephan Weil wusste Piëch zufolge als Mitglied des VW-Aufsichtsrats
ebenfalls früh von den Manipulationen. Er hätte Alarm schlagen müssen
- nicht nur im Interesse des Autoherstellers, sondern auch in der
Verpflichtung für den Aufsicht führenden Staat und in Verantwortung
gegenüber den Dieselauto fahrenden Kunden. Letztere sind ohnehin
veärgert, da sie vom Konzern im Vergleich zu den USA als Kunden
zweiter Klasse behandelt werden. Es scheint, als sei außer in
Wolfsburg auch im Staate Niedersachsen manches sehr faul.
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