(ots) - Eine Kapitulation mit gutem Ende
Die wichtigste Nachricht für Eltern und Schüler vorab: Das Konzept
der CSU für das neue neunstufige Gymnasium inklusive eingebauter
Überholspur für die ganz Fixen klingt ziemlich gut: Es gibt mehr Geld
und mehr Lehrerstellen. Es überzeugt, dass der Klassenverbund bis zur
zehnten Klasse in jedem Fall erhalten bleibt - flankiert von
Extrakursen für die Abkürzer. Es wurde zu Recht auch an den Inhalten
geschraubt und das Zukunftsfach Informatik zur Pflicht gemacht. Gut
ist auch, dass die politische Bildung in unruhigen politischen Zeiten
größeren Raum bekommt. Mögliche Schwachstellen des Konzepts wird der
Praxistest zeigen. Doch die gröbsten Fallstricke dürften im
jahrelangen Dialogprozess erkannt und verhindert worden sein. Das
lässt sich daran ablesen, dass sich die Opposition bei ihrer Kritik
auf weitere Teile des Bildungspakets konzentrierte, von denen etwa
Förder- und Realschulen profitieren. Die CSU ist trotzdem gut
beraten, sich nicht allzu stolz auf die Brust zu trommeln. Dem neuen
G9 ging ein quälend langer Prozess voraus, der durch Teile der
Landtagsfraktion nach Kräften verlängert worden ist. Es brauchte
mehrere Schubse und ein Machtwort von Regierungschef Horst Seehofer,
damit nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag Bedenken gewälzt werden -
nur um die eigene Kapitulation hinauszuzögern. Denn das neue G9 ist
für die CSU natürlich auch eine Niederlage: Es ist das klare
Eingeständnis, dass das 2004 im Schnellverfahren eingeführte G8 nicht
gut genug war. Die CSU muss sich vorwerfen lassen, dass grundlegende
Verbesserungen am G8 schon deutlich früher möglich gewesen wären. Die
Regierungspartei hätte sich nur von der Opposition inspirieren lassen
müssen, die im Landtag unzählige Verbesserungsanträge gestellt hat,
aber regelmäßig kein Gehör fand. Die Freien Wähler dürfen jedenfalls
für sich reklamieren, dass sie den Umdenkprozess der CSU befördert
haben. Das Volksbegehren zum G8, wenngleich gescheitert, hat Seehofer
hellhörig gemacht. Der Regierungschef hat sich nie gescheut, zügig
über Bord zu werfen, was Dauer-Ärger der Bürger produziert.
Gerechterweise ist zu sagen: Die CSU-Fraktion tat sich mit dem
Überbordwerfen des G8 nicht nur deshalb härter, weil sie sich -
wieder einmal - von Seehofer überrumpelt fühlte und die eigenen
Muskeln spielen lassen wollte. Viele hatten auch die heftigen Prügel
nach Einführung des G8 in Erinnerung und wollten keine Neuauflage
riskieren. Ein harter Kern zählte zudem bis zuletzt zu den vom G8
Überzeugten. Für einen Teil der Schüler hatte es ja auch gut
funktioniert. Das große Bildungspaket, mit dem das neue G9 nun
kombiniert wird, dient den Zögernden zur Gesichtswahrung. Wichtiger
Punkt ist die Stärkung der Förderschulen - hier sind von 2018 bis
2020 insgesamt 250 neue Lehrerstellen geplant. Nachwuchs für spätere
Jahre soll auch in Regensburg ausgebildet werden: An der Universität
nimmt zum Wintersemester 2021/2022 der dann dritte bayerische
Sonderpädagogikstandort mit drei Lehrstühlen seinen Betrieb auf, wie
das bayerische Kabinett am Dienstag bei der Auswärtssitzung in der
Oberpfalz beschlossen hat. Der G9-Kompromiss dient Seehofers Ziel,
mit möglichst wenig ungelösten Problemen in die beiden nächsten
Wahlen zu ziehen. Bürger sollen dieses Jahr im Herbst im Bund und
2018 bei der Landtagswahl keinen Grund haben, an die CSU Denkzettel
zu verteilen. Seehofer präsentiert sich dabei als
durchsetzungsstarker Macher, mag man von den CSU-Beschlüssen nun im
Einzelfall viel halten oder nicht: Ob G9, Maut oder Erdkabel für
Stromtrassen - Seehofer hat geliefert, was er zuvor versprochen hat.
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