(ots) - Mutter der Truppe in Not
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dreieinhalb Jahren die
vorherige Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen ins
Verteidigungsressort beförderte, war das eine große Überraschung. In
der Bundeswehr rümpften viele die Nase über die erste Frau an der
Spitze der deutschen Armee, die immer noch männerdominiert ist. Und
die ersten Maßnahmen schienen den Kritikern der siebenfachen Mutter,
die nun die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte hatte,
recht zu geben. Die einstige Ärztin und Tochter des früheren
niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht kümmerte sich
erst einmal um Kita-Plätze, neues Mobiliar und Internet-Verbindungen
für die Soldaten im Inlands- sowie im Auslandseinsatz. Für gestandene
Militärs und Verteidigungspolitiker waren das höchstens Randthemen.
Nicht so für die neue Ministerin von der Leyen, die sich auch
trefflich auf Inszenierungen vor Kameras versteht. Eine ihrer ersten
Dienstreisen führte sie auf eine deutsches Marineschiff ans Horn von
Afrika. Begleitet wurde sie von einem Tross, der vornehmlich aus
Journalistinnen von Frauenzeitschriften bestand. Der militärische
Auftrag im Kampf gegen Piraten geriet beinahe in den Hintergrund.
Dabei ist das Verteidigungsressort nicht ein x-beliebiges
Ministerium, sondern eines, in dem es vor Hinterhalten, Minen und
Fallstricken nur so wimmelt. Angela Merkel hatte möglicherweise eine
Doppelstrategie im Auge, als sie von der Leyen mit diesem Ministeramt
betraute: sollte die Niedersächsin scheitern, wäre die CDU-Chefin
eine Aspirantin für das Kanzleramt los. Würde von der Leyen das
Ministerium jedoch mit Bravour führen, hätte sie sich für noch höhere
Aufgaben empfohlen. Doch danach sieht es derzeit ganz und gar nicht
aus. Die jüngsten Skandale in der Bundeswehr, etwa um den offenbar
rechtsextremen Oberleutnant Franco A., und um Quälereien und
Erniedrigungen von Rekruten in Kasernen von Bad Reichenhall,
Pfullendorf oder Sondershausen, könnten der ehrgeizigen Ursula von
der Leyen den Weg ins Berliner Kanzleramt verbauen. Die Ministerin
kämpft derzeit nicht nur um die Aufklärung schlimmer Vorfälle in der
Truppe, sondern auch um die eigene Reputation, um die eigene
politische Karriere. Das macht die Sache, gerade in aufgeregten
Wahlkampfzeiten, nicht einfacher. Die "Mutter der Truppe" steht unter
ständiger Beobachtung von Freund und Feind. Den Maßstand für ihren
eigenen Erfolg - oder eben Misserfolg - hat sie selbst gesetzt. Sie
trage die "Gesamtverantwortung" für alles, was in der Bundeswehr
passiere. Das galt zwar bereits für alle ihre männlichen Vorgänger im
Amt. Doch keiner von denen hat den Job an der Spitze der Armee mit so
viel Verve, mit so vielen wohlklingenden Versprechungen, mit so viel
Show angetreten. Nicht einmal Karl-Theodor zu Guttenberg, der
einstige Shootingstar der CSU, der über seine teilweise
abgeschriebene Doktorarbeit stolperte und nun womöglich vor einem
politischen Comeback steht. Ãœbrigens gab es auch bei von der Leyens
medizinischer Dissertationsschrift zahlreiche Unregelmäßigkeiten.
Allerdings sah die Universität Hannover diese Fehler als kleinere
Sünden an. Die wirklichen Herausforderungen für die
Verteidigungsministerin sind derzeit die schonungslose Aufklärung der
jüngsten Skandale in der Truppe, die Meisterung der riesigen
Dauerbaustellen in der Beschaffung - vom neuen Truppentransporter
A400M, dem neuen Kampfhubschrauber bis zum neuen Sturmgewehr und
modernen Marineschiffen. Noch schwieriger dürfte es allerdings sein,
das Vertrauen der Truppe zu gewinnen. Das hat Ursula von der Leyen
trotz der vielen schönen Bilder in den vergangenen dreieinhalb Jahren
nämlich nicht vermocht.
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