(ots) - Waren die Landtagswahlen im Saarland oder in
Schleswig-Holstein noch so etwas wie Probeläufe, dann kommt dem
Urnengang im bevölkerungsreichsten Bundesland bereits der Charakter
einer Generalprobe zu. Nordrhein-Westfalen ist die "Herzkammer" der
Sozialdemokratie. Mit einer Ausnahme wurde das Land immer Rot
regiert. Jahrzehntelang mit absoluter Mehrheit, wie man das sonst nur
von Bayern mit der CSU kannte. Die Wahl in NRW am Sonntag ist nicht
nur entscheidend dafür, wer künftig in Düsseldorf regieren wird,
sondern auch dafür, ob der "Schulz-Zug" überhaupt noch einmal Fahrt
aufnehmen kann oder ob er vollends abgebremst wird. Eigentlich hatte
Martin Schulz gehofft, dass seine Partei die drei Landtagswahlen in
Folge gewinnen würde. Es stünde dann drei zu null vor der
entscheidenden Bundestagswahl im September. Doch nun könnte er
höchstens noch auf ein zwei zu eins verkürzen, um es in der
Fußballersprache zu sagen. Auf der anderen Seite schaut natürlich
auch die Union mit Hochspannung auf den Wahlsonntag in NRW. Kann die
CDU die jüngste Siegesserie von Saarbrücken und Kiel fortsetzen?
Bleibt Angela Merkel die Wahl-Lokomotive der Union oder holt Schulz
wenigstens etwas an Boden auf? Die Demoskopen sagen ein
Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Doch diese Prognosen werden nicht mehr
all zu ernst genommen. Auch für das Saarland und Schleswig-Holstein
waren knappe Ergebnisse vorhergesagt worden. Dann kam es anders,
nämlich zu klaren Siegen der Konservativen. Allerdings hat auch diese
Landtagswahl ihre Besonderheiten. Es scheint festzustehen, dass das
bisherige Bündnis von SPD und Grünen nicht weiter regieren dürfte.
Die SPD mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat tiefe Kratzer
abbekommen. In der inneren Sicherheit erhält Innenminister Ralf Jäger
keine guten Noten. Die nicht verhinderten Ãœbergriffe in der
Silvesternacht 2015 von Köln oder das Versagen beim Umgang mit dem
späteren Attentäter Anis Amri sind eine schwere Hypothek. Ob das
schwache Erscheinungsbild der Landesregierung durch die Popularität
von Landesmutter Kraft aufgewogen werden kann, scheint fraglich.
Zugleich sind die Grünen kräftig eingebrochen. Die schlechten Noten
für das Bildungssystem in NRW werden der grünen Spitzenfrau und
Kultusministerin Sylvia Löhrmann angekreidet. Möglicherweise müssen
die Grünen in NRW den Bundestrend erleiden. Und der zeigt, von
Schleswig-Holstein mit dem couragierten Spitzenkandidaten Robert
Habeck einmal abgesehen, nach unten. Es könnte sein, dass die Grünen
nicht mehr zum Regieren gebraucht werden. In welcher Konstellation
auch immer. Zudem setzte kurz vor der Landtagswahl eine Art
vorsorgliche "Ausschließeritis" ein. Grüne und FDP wollen auf keinen
Fall in einem Dreierbündnis zusammen regieren, egal ob in einer
Jamaika-Koalition mit CDU oder in einer Ampel mit der SPD. Für eine
künftige Große Koalition spricht außerdem, dass die NRW-CDU mit dem
sozial orientierten Spitzenkandidaten Armin Laschet durchaus mit der
politischen Konkurrenz der SPD zusammen arbeiten könnte. Laschet kann
überdies persönlich mit Kraft ganz gut. Die Probleme des Landes, das
tief im wirtschaftlichen Wandel steckt, sind ohnehin so drängend,
dass eine klare Regierungsmehrheit notwendig wäre. Eine der
spannenden Fragen am Wahlabend ist dann, wer eine mögliche GroKo
führt - Kraft oder Laschet? Die Bundes-CDU könnte mit Laschet als
Vize gut leben. Für Schulz und die SPD wäre eine Niederlage von Kraft
nur schwer - oder gar nicht - auszubügeln.
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