(ots) - Reichskanzler Otto von Bismarck soll einmal
gesagt haben, wenn die Welt untergehen sollte, dann werde er sich
nach Mecklenburg begeben. Dort geschehe alles 100 Jahre später.
Gestern allerdings hatte man es im nordöstlichen Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern sehr eilig. Der beliebte Landesvater Erwin
Sellering, erst im vorigen Herbst wiedergewählt, tritt überraschend
wegen einer Krebserkrankung von allen Ämtern zurück. Sellering, ein
gebürtiger Westfale, der als Richter vor 23 Jahren in den Norden ging
und sich zur "Stimme des Ostens" aufschwang, hinterlässt allerdings
keine Lücke. An seine Stelle wird die Noch-Familienministerin Manuela
Schwesig plötzlich Landesmutter in Schwerin, ihrer Heimatstadt. Nicht
diese Personalie kommt überraschend - Schwesig gilt schon lange als
mögliche Sellering-Nachfolgerin - sondern der Zeitpunkt des nun
abrupten Wechsels in die Landespolitik. Die zweifache Mutter Manuela
Schwesig hat in den vergangenen Jahren politisch einiges bewegt,
manches nicht erreicht. Manche, vor allem in CDU und CSU sowie der
Wirtschaft, hat sie mit ihren ständigen Forderungen nach mehr
Gleichberechtigung der Geschlechter, besserer Vereinbarkeit von
Familie und Beruf für Mütter und Väter, mit ihrem Engagement gegen
Rechtsextremismus aber auch nur genervt. Schwesigs Wechsel nach
Schwerin ist ein Gewinn für das kleine Bundesland im Nordosten, aber
ein Verlust für die Bundes-SPD. Der mangelt es an zugkräftigen,
authentischen, frischen Politikerinnen. Die Schulz-Partei muss
ausgerechnet im Wahlkampf das bekannteste Gesicht ihrer
Familienpolitik an die Landespolitik abgeben. Nach dem Absturz des
Kurzzeit-Ãœberfliegers Martin Schulz in den Umfragen hat Schwesigs
Wechsel nach Schwerin auch einen bitteren Beigeschmack. Dabei war
Schwesig, wie zuvor vielleicht nur die ebenfalls couragierte
SPD-Familienministerin Renate Schmidt aus Nürnberg, in eine Domäne
der Union eingebrochen. Viele Jahre lang gaben Unions-Ministerinnen
in der Familienpolitik den Ton an. Man hatte das beinahe vergessen.
Noch als Landesministerin focht die SPD-Frau mit der damaligen
Sozialministerin Ursula von der Leyen so manchen Strauß aus, etwa
beim bürokratischen Bildungs- und Teilhabepaket für bedürftige Kinder
und Jugendliche. Schwesig wandte sich heftig gegen das
Betreuungsgeld, das die CSU in der vorangegangenen schwarz-gelben
Koalition durchsetzte. Vor dem Verfassungsgericht, das diese
Unterstützungsleistung schließlich kippte, weil der Bund nicht
zuständig sei, musste ihr Berliner Ministerium das CSU-Gesetz
allerdings verteidigen. Ein Treppenwitz. Viele sehen in der blonden
Frau aus dem Norden bereits eine mögliche Kanzlerkandidatin der
Sozialdemokraten. Aber erst für die Wahlen 2021 oder 2025. Vielleicht
aber auch schon früher. Vorhersagen sind für die gebeutelte SPD noch
schwieriger als für andere Parteien. Manuela Schwesig steht so oder
so als Reservistin bereit, wenn die SPD sie für noch höhere Ämter
brauchen sollte. Als Parteivorsitzende, als Kanzlerkandidatin?
Derzeit allerdings scheint Angela Merkel, die ihre Wahlheimat
ebenfalls im Nordosten hat, von der SPD nicht ernsthaft bedrängt auf
die nächste Kanzlerschaft zuzusteuern. Mit der immer noch relativ
jungen, couragierten Schwesig könnte sich das irgendwann ändern. Doch
die muss sich nun erst einmal als Landesmutter in Schwerin bewähren.
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