(ots) - Vor wenigen Tagen noch stand Theresa May in einer
Lagerhalle und machte Wahlkampf. Die Premierministerin, stets als
verkrampft verspottet, sollte menscheln. Das Problem: Die Arbeiter
wurden nach Hause geschickt und durch konservative Aktivisten
ersetzt. Die Szene steht symbolisch für ihren Wahlkampf - ein
Rohrkrepierer. May speiste ihre Wähler mit Leerformeln ab und
forderte dafür einen Blankoscheck für die anstehenden
Brexit-Verhandlungen. Ja, die Konservativen halten noch immer die
Mehrheit. Aber innerhalb der Partei schäumen sie vor Wut. Es scheint
ausgeschlossen, dass Theresa May eine volle Legislaturperiode in der
Downing Street überlebt. Sie hat zu hoch gepokert. Keine andere
Partei geht so schonungslos mit ihren Vorsitzenden um, wenn diese
nicht in ihrem Sinne liefern. Es darf davon ausgegangen werden, dass
Minister hinter den ehrwürdigen Mauern von Westminster bereits Pläne
schmieden, wie und wann die Regierungschefin geschasst wird. Dass
May betonte, allein sie könnte dem Land Stabilität in diesen
unsicheren Zeiten geben, zeugt von Realitätsverlust. Sie setzte
rücksichtslos eine Wahl an, die keiner wollte. Ihretwegen lagen die
Brexit-Vorbereitungen wochenlang auf Eis. Dabei steht dem Königreich
eine gigantische Herausforderung bevor. Zur Verzweiflung von
Unternehmern, Diplomaten und Beobachtern hat es die Politik versäumt,
der Bevölkerung Details zum EU-Austritt vorzulegen, sie auf Abstriche
vorzubereiten oder damit zu beginnen, das schiere Ausmaß der
Scheidung zu skizzieren. In Mays künftigem Großbritannien fließen
angeblich Milch und Honig. Das böse Erwachen dürfte in wenigen Jahren
folgen. Dagegen hat der lebenslange EU-Skeptiker Jeremy Corbyn, der
im vergangenen Jahr offiziell zwar auf der Seite der Europafreunde
stand, aber nur halbherzig für den Verbleib warb, das Thema im
Wahlkampf so gut wie möglich umschifft. Viele Briten schienen wenig
interessiert an einem konkreten Plan oder an den finanziellen,
wirtschaftlichen und politischen Folgen. Hauptsache Brexit. Trotzdem
steckt eine Botschaft in dem jetzigen Votum. Dass etliche Jungwähler
mit ihrer Stimme für Corbyn auch gegen Mays harten Bruch mit Brüssel
votiert haben, darf nicht ignoriert werden. Labour setzt sich für
eine Soft-Version des Ausstiegs ein. Nach diesen aufwühlenden Wochen
muss das Land endlich beginnen, über Inhalte zu streiten, um dann
einen Konsens zu finden. May wollte mit dem Ansetzen der Neuwahlen
die Opposition praktisch entmachten. Sie hat das Gegenteil erreicht.
Das ist die eine gute Nachricht aus einem Land, das sich wieder neu
sortieren muss.
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