(ots) - Da kann einem fast schwindelig werden. Anlässlich
der gerade in Dresden stattfindenden Innenministerkonferenz
überbieten sich die Ressortchefs mit alten und neuen Ideen zu
Gesetzesverschärfungen. Der Grat zwischen purem Aktionismus und
sinnvollen Verbesserungen ist in Zeiten der terroristischen Bedrohung
freilich sehr schmal. Zumal viele (erfolgreich wirkende?)
Anti-Terrormaßnahmen in den letzten Monaten schon auf den Weg
gebracht worden sind. Jetzt fordert CSU-Mann Joachim Herrmann, der
auch Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl ist, mal
wieder, die Schleierfahndung bundesweit durchzusetzen. Nachdem er
zuletzt mit dem Vorstoß für Aufsehen gesorgt hat, Kinder vom
Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Als ob die Behörden
wegschauen würden, wenn es Hinweise auf entsprechende
Radikalisierungen gibt. Und das Thema Schleierfahndung kann getrost
als Wahlkampfgetöse abgetan werden. Herrmann und die Union wollen
damit vor allem die Sozialdemokraten vorführen. Denn nur in zwei
Ländern, im SPD-geführten Bremen und in Berlin, ist die anlasslose
Kontrolle offenbar nicht zuglassen - Nordrhein-Westfalen ist gerade
in der schwarz-gelben Koalitionsfindung, dort will man das Kind
"strategische Fahndung" nennen. Auffallend ist bei alledem: Wem was
einfällt, der posaunt es heraus, die praktische Relevanz scheint oft
keine Rolle zu spielen. Auch für Bundesinnenminister Thomas de
Maizière nicht. Beispielsweise lässt sein wiederholter Vorschlag des
Einsatzes von Überwachungssoftware zur Gesichtserkennung außer Acht,
dass das System technisch längst noch nicht ausgereift ist. Zweitens
brauchen die Sicherheitsbehörden dafür vielfach eine bessere
Ausstattung. Und drittens ist die Nutzung eines solchen
Erkennungsprogramms aus datenschutzrechtlichen Gründen hoch
problematisch. All diese heiklen Aspekte ignoriert der Minister, weil
seine Idee ja so schön einfach klingt. Derweil verfestigt sich der
Eindruck, dass de Maizière und sein bayerischer Kollege Herrmann sich
einen Wettbewerb liefern, wer der bessere Hardliner ist und nach der
Bundestagswahl dann der bessere Innenminister. Nur hat Deutschland
eben kein Gesetzes-, sondern ein Anwendungsproblem. Das ist der
springende Punkt. Außerdem gibt es erhebliche
Kommunikationshindernisse unter den Sicherheitsbehörden. Wenn man
polizeiliche Erkenntnisse zwischen Schleswig-Holstein und Bayern
austauschen will, stoßen die Beamten oft schon an ihre Grenzen. Auch
hier müsste vordringlich angesetzt werden. Vor allem aber sucht man
in der gesamten Sicherheitsdebatte mahnende Stimmen weitgehend
vergeblich. Man braucht kein Freund der FDP zu sein, aber jemand wie
die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger würde
dem Land jetzt gut tun. Jemand, der beharrlich vor dem überzogenen
Abbau von Freiheitsrechten für angeblich mehr Sicherheit warnt und
wenn nötig sich dagegen stemmt. Ein solcher Quertreiber fehlt in
Zeiten wie diesen.
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