(ots) - Nenas Hit aus den 90er Jahren "Irgendwie,
irgendwo, irgendwann" ist in diesem Jahr so etwas wie die
Wahlkampfhymne der Grünen geworden. Die Öko-Partei hat drei Tage lang
um ihr Programm zur Bundestagswahl gerungen. In der sonst so
streitlustigen Partei ging es dabei ungewohnt diszipliniert,
teilweise sogar harmonisch zu. Selbst ein paar wenige Entgleisungen
zerstörten das Bild der grünen Eintracht kaum. Verbalattacken, wie:
einfach mal die Fresse halten, einer Kreuzberger linken Grünen zum
Oberrealo Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, blieben die
Ausnahme. Am Wochenende im Berliner Tempodrom trotzten die Grünen
kollektiv den miesen Umfragewerten, dem schwachen Erscheinungsbild
der beiden Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir
und dem jahrelangen Flügelstreit. Die Erklärung dafür ist einfach.
Nach fast 13 Jahren auf den Oppositionsbänken im Bundestag haben es
die allermeisten Grünen gründlich satt, immer nur die Regierenden zu
kritisieren, nur zu opponieren, nicht wirklich gebraucht zu werden.
Sie wollen endlich wieder mitregieren, gestalten, wieder eine Zipfel
von Macht in den Händen halten. Aber die Grünen wollen zugleich nicht
irgenwie mitregieren, sondern haben gleich mehrere fundamentale
Hürden für eine Beteiligung an einer neuen Bundesregierung
aufgestellt. Vom definitiven Abschied von der Braunkohle - nach dem
Aus für die Atomkraft wird dies womöglich das grüne Kernprojekt der
nächsten Jahre -, dem Ende von Verbrennungsmotoren bis 2030 oder der
Absage an Massentierhaltung in der Landwirtschaft. Das alles ist ein
bisschen zu flott formuliert und zu viel an Verboten. So als hätten
die Grünen nichts gelernt aus der unsäglichen Debatte um einen
verordneten Benzinpreis von fünf Mark aus den 90er Jahren oder dem
Veggie-Day aus dem Grünen-Wahlkampf von 2013. Die Grünen gerieren
sich auch jetzt wieder als Verordnungs- und Beglückungspartei von
Gutmenschen. Wie die große Mehrheit der Menschen in Deutschland
jedoch auf diesem Weg mitgenommen werden soll, etwa sozial Schwache,
die teureren Strom nicht bezahlen können, oder Automobilbauer, die um
ihren Job fürchten, sagen die Grünen nicht. Die zuletzt zutiefst
verunsicherte und von Selbstzweifeln geplagte Partei sucht den Ausweg
in einem ziemlich radikal ökologischen Ansatz. Doch damit verbundene
gesellschaftliche, soziale Konsequenzen werden weitgehend
unterschlagen. Hauptsache man hat erst einmal Hürden aufgestellt, die
eher dem Parteifrieden dienen als dass sie wirklich die betroffenen
Menschen mitnehmen könnten. Werden diese Hürden nicht übersprungen,
wolle man in der Opposition bleiben. Sagen allerdings nur die Linken
in der Grünen-Partei. Allerdings haben in Kiel machtbewusste grüne
Pragmatiker wie der neu aufgehende Star der Partei und
Fast-Spitzenkandidat, Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert
Habeck, gerade gezeigt, wie man unter mancher Hürde aus dem Wahlkampf
leicht hindurchlaufen kann. Glaubt denn im Ernst jemand bei den
Grünen, Union oder Sozialdemokraten ließen sich im Fall von
Koalitionsverhandlungen im Bund auf einen solchen
Ausschließeritis-Katalog einer Klein-Partei ein? Eine Zeile aus Nenas
Ohrwurm haben die Grünen nun sogar zum Slogan ihres Wahlprogramms
abgewandelt: Zukunft wird aus Mut gemacht, statt "Liebe wird aus Mut
gemacht" im originalen Liedtext. Den Mut, die dramatischen
Umwelt-Probleme auf dem gesamten Globus und insbesondere in
Deutschland ungeschminkt anzuprangern, kann man den Grünen nicht
absprechen. Das können sie besser als alle politischen Konkurrenten.
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