(ots) - Man kann mit einer Wohnung einen Menschen
erschlagen wie mit einer Axt. So schrieb vor gut einhundert Jahren
der Berliner Millieu-Maler Heinrich Zille. Heute sind die dunklen
Mietskasernen, die Armenviertel jener Zeit und auch die schlimme
Wohnungsnot der Nachkriegsjahre zum Glück Geschichte. Doch bezahlbare
Wohnungen sind auch heutzutage, vor allem in Großstädten, nur schwer
oder gar nicht zu bekommen. In ländlichen Gebieten sieht es dagegen
zum Teil anders aus. Häuser sind kaum zu vermieten oder zu verkaufen.
Der Run in die Städte führt bereits zu Leerständen in manchem Dorf
und kleineren Städten. Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist geteilt.
Deshalb sollte auch die Wohnungspolitik differenziert, also auf die
regionalen Besonderheiten zielend, ausgestaltet werden. Ein für alle
und alles passendes Rezept gibt es nicht. In den vergangenen Jahren
hat sich vor allem das Miet-Problem dramatisch verschärft, dass man
lange für überwunden hielt. Junge Familien, Studenten, Menschen mit
nur geringem Einkommen oder Mini-Renten, Hartz-IV-Bezieher, Ausländer
und Flüchtlinge suchen von München, Stuttgart, Frankfurt/Main bis
Regensburg oft händeringend eine vernünftige, erschwingliche Wohnung.
Oder sie haben Sorge, dass sie die angestammte Bleibe bald nicht mehr
bezahlen können, weil die Miete angehoben wird. Doch obwohl die Lage
auf dem Wohnungsmarkt in vielen Städten und Regionen dramatisch ist,
spielt das Problem im Wahlkampf nur eine Nebenrolle. Zu Unrecht.
Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Die Wohnung ist gewissermaßen ein
Stück jedes Menschen. Fühlt er oder sie sich in den eigenen vier
Wänden wohl, stimmt das Umfeld, die Infrastruktur, sind die Nachbarn
in Ordnung, dann ist die Wohnung ein Quell der Erholung. Stimmt es
nicht, ist die Wohnung zu klein, zu teuer, zu laut, zu weit vom
Arbeitsort entfernt, dann nervt das gewaltig. Beim Blick auf die
Vorhaben und Versprechungen der Parteien zum Bauen, Wohnen und Mieten
fällt auf, dass sich alle einig sind: Wir haben zu wenige, vor allem
bezahlbare, Wohnungen. Deutschlandweit fehlen rund eine Million
Wohnungen. Die jetzige Großkoalition aus CDU/CSU und SPD kann sich
höchstens rühmen, dass sie das Problem angepackt und erste Weichen
anders gestellt hat. Gelöst ist das vielschichtige Problem damit noch
nicht. Einig ist man sich quer durch die Bundestags-Parteien, dass
bürokratischen Bremsen und überzogene Steuern sowie Abgaben, die das
Bauen in Deutschland verzögern, erschweren und verteuern, endlich
gelöst, gesenkt oder abgeschafft werden müssen. Das geht nicht nur
den Bund an, sondern auch Landes- und kommunale Behörden, die - oft
unterbesetzt - dem eigentlich notwendigen Bauboom nicht gewachsen
sind. Auch Steuererleichterungen für die Investition in die eigenen
vier Wände sollte es geben, ist man sich im Grunde einig. Aber da
hören die Übereinstimmungen in der Bau- und Mietenpolitik auf.
Während SPD, Linke und Grüne, zum Teil die Union, auch auf die
Ankurbelung des staatlich geförderten und/oder gemeinnützigen
Sozialwohnungsbaus setzen, macht sich die außerparlamentarische FDP
lediglich für steuerliche Anreize stark. Rot-Rot-Grün plädieren auch
für eine schärfere Begrenzung des Mietpreisanstiegs, weil die
bisherige Preisbremse kaum zieht. Doch die Union will keine
Verschärfung. Die Liberalen wollen die Mietpreisbremse sogar gleich
ganz abschaffen. Allerdings darf der Wohnungsmarkt keinesfalls völlig
dem freien Spiel der Kräfte ausgesetzt werden. Dieser sensible Markt
braucht einen sozialen Rahmen.
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