(ots) - Auch wenn es zu vielen inhaltlichen Fragen
aktuell noch keine Antwort geben kann: Mit der vor dem Brexit-Votum
gefällten Entscheidung, Großbritannien zum Partnerland der
diesjährigen Begegnungswoche zu machen, hat die Industrie- und
Handelskammer in Ostwestfalen einen Volltreffer gelandet. Vielen
ergeht es wie gestern dem Schüco-Chef: »Wir haben drei Problemmärkte:
Türkei, Russland und das Vereinigte Königreich.« Auch dass der
Saxophonist zur Eröffnung »Let it be« von den Beatles spielte, traf
eine breite Stimmung. Doch sollte niemand der Hoffnung nachhängen,
dass die Briten den Brexit noch sein lassen könnten. Jenseits des
Ärmelkanals steht man zu Entscheidungen, selbst wenn sie nur mit sehr
knapper Mehrheit gefällt wurden und mit großen Nachteilen verbunden
sind. Immerhin sind die Briten Kaufleute genug, dass sie die
wirtschaftlichen Nachteile klein halten wollen. Das will auch die EU.
In Brüssel aber gibt es zusätzliche Zwänge. Ein Eingehen auf die
Vorstellungen der britischen Regierung, die sich der Verpflichtungen
entledigen, aber die Vorteile behalten will, würde weitere Exits
provozieren. Eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft jedoch, die
Waren durchlässt, aber keine Menschen, würde zuerst den sozialen und
dann den politischen Frieden gefährden. Die eigentliche
Herausforderung beginnt jetzt, wenn es in den Verhandlungen an die
Details geht. Auf den ersten Blick ist Mays Angebot, alle
EU-Ausländer, die fünf Jahre in Großbritannien leben, erhalten die
gleichen Rechte wie die Briten, gar nicht übel. Über das Datum, wann
die Frist beginnt, lässt sich reden. Doch die Entbindung von der
Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs, die May daran koppelt,
berührt natürlich eine Grundsatzfrage. Ob Freihandel,
Dienstleistungsfreiheit, finanzielle Verpflichtungen,
Arbeitnehmerfreizügigkeit oder eben die Rechte der in Großbritannien
lebenden EU-Bürger bzw. der hier lebenden Briten: Stets geht es auch
um Grundsätzliches. Das bedeutet: Die Verhandlungspartner stoßen
schnell an rote Linien, die gleich zu Beginn von britischer und von
EU-Seite gezogen wurden. Kompromisse sind schwierig - noch
schwieriger seit den von May mutwillig herbeigeführten Neuwahlen.
Ohne starke Mehrheit im Parlament könnte die Premierministerin den
Hardlinern der Anti-Europäer in ihrer Partei ausgeliefert sein. Kein
Vertrag ist besser als ein schlechter Vertrag? Das wäre, wenn es
ernst gemeint ist, eine Bankrotterklärung. Wenigstens ist der
Versuch, nationale Interessen gegen Brüssel auszuspielen, misslungen.
Divide et impera, teile und herrsche, lautete schon das Prinzip, mit
dem das Königreich sein riesiges Kolonialreich aufbaute. Vermutlich
war das nicht der letzte Versuch, es auch auf die EU anzuwenden.
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