(ots) - Helmut Kohl wirkt über seinen Tod hinaus. Sein
politisches Leben bleibt Vermächtnis für die Zukunft eines ganzen
Kontinents. Kanzler der Einheit, Vorkämpfer für Europa, großer
Staatsmann - wir verneigen uns in Dankbarkeit!
Noch einmal ist Helmut Kohl am Samstag die Ehre und
Anerkennung zuteil geworden, die ihm gebührt. Eine Ehre und
Anerkennung, um die er selbst sich gerade in den letzten Jahren
betrogen sah. Schade, dass er seine Verbitterung nicht mehr
überwinden konnte - weder im Politischen noch im Privaten. Es
bleibt eine große persönliche Tragödie, dass ausgerechnet dafür die
Kraft fehlte.
Straßburg, Ludwigshafen, Speyer - die Stationen eines ganzen
Lebens als Stationen eines Tages. Es war noch einmal eine lange,
strapaziöse Reise. Seine Witwe Maike Kohl-Richter absolvierte sie mit
bemerkenswerter Haltung. Und allen Unstimmigkeiten im Vorfeld der
Trauerfeier zum Trotz war es eine durchweg würdevolle Zeremonie, die
bewegende Bilder des Abschieds lieferte.
Einfache Menschen seiner Heimat wie hochrangige Politiker aus
aller Welt begleiteten Helmut Kohl auf seinem letzten Weg. Wer dabei
war, und sei es auch nur vor dem heimischen Fernseher, der merkte
schnell: Hier geschieht etwas Außergewöhnliches. Leider blieb die
familiäre Versöhnung aus - was für ein schweres Erbe für alle
Beteiligten. Und dennoch hatte der Tag etwas Versöhnliches.
Der Trauerakt im Straßburger EU-Parlament lieferte feierliche,
berührende, ja historische Momente - und er hat das Zeug zu einem
neuen Gründungsakt zu werden. Es war unübersehbar: Europa spürt die
Verpflichtung, Helmut Kohls politisches Werk zu bewahren und sieht
die Notwendigkeit, die Europäische Union mit neuem Leben zu
erfüllen. Doch wer ist in der Lage, den »Mantel der Geschichte« zu
ergreifen, wie es einst Helmut Kohl verstand? Zupackend und zugewandt
zugleich. Entschlossen, aber immer mit und nicht gegen die Nachbarn.
Selbstbewusst, aber nicht überheblich. Ausgerechnet der noch so
junge französische Staatspräsident Emmanuel Macron war es, der mutig
davon sprach. Sein Optimismus kann Hoffnung machen - Helmut Kohl
hätte dieser Auftritt sicher gefallen.
Gewiss, die Zeit mag eine andere geworden sein, doch bleibt
noch eine Lehre Kohls. Ohne gegenseitigen Respekt und Vertrauen ist
mit Europa kein Staat zu machen. Und gelegentlich muss zum
Pragmatismus des Alltags das Visionäre kommen: Oder will Europa
wirklich nicht mehr sein als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit
gemeinsamer Währung? Helmut Kohl hätte sich damit bestimmt nicht
zufrieden gegeben.
Zweifelsohne wissen Kanzlerin Angela Merkel und
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darum. Wie auch der
ehemalige US-Präsident Bill Clinton fanden beide sehr persönliche
Worte. Über Helmut Kohl als Freund und Förderer, als Vorbild und
Mahner. Dem Versuch einer Heiligsprechung erlagen sie dabei nicht,
auch die Schattenseiten kamen zur Sprache. Der katholische Bischof
Karl-Heinz Wiesemann sollte es beim Requiem im Dom zu Speyer später
so sagen: »Es ist der Abschied von einem Menschen, mit allem, was
Menschsein in Kraft und in Schwäche bedeutet.«
Ein Mensch, der seinem Vaterland 16 Jahre lang als Kanzler gedient
hat und der seit 1998 den Titel »Ehrenbürger Europas« trug. Der
Mensch Helmut Kohl, der zweifellos den Friedensnobelpreis verdient
gehabt hätte - und der nun seinen Frieden finden möge.
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