(ots) - Es ist eine lahme Ausrede, wenn Politiker nach
den Gewaltexzessen von Hamburg behaupten, mit diesem Ausmaß der
Gewalt habe einfach niemand rechnen können. Es ist der durchsichtige
Versuch, angesichts fast bürgerkriegsähnlicher Zustände vom eigenen
Versagen und dem des Staates abzulenken. Bundesinnenminister Thomas
de Maizière (CDU) selbst hatte in den Tagen vor dem Gipfel wiederholt
ein Horror-Szenario beschrieben und von »deutlich mehr als 8000
gewaltbereiten Extremisten aus dem In- und Ausland« gesprochen, die
er in Hamburg erwarte. Und das BKA soll in einem Papier vor schweren
Brandstiftungen und Sabotageakten gewarnt haben. Doch, der Staat und
seine Sicherheitsbehörden waren sehr wohl gewarnt. Aber sie hatten
ganz offensichtlich nicht das passende Einsatzkonzept. 21000
Polizisten - die Zahl ist gigantisch. Aber die Menge alleine macht es
eben nicht, denn sonst hätten die vermummten Verbrecher nicht
Millionenwerte zerstören, nicht hunderte Beamte verletzen können. Die
Polizei scheiterte möglicherweise an der Guerillataktik ihrer Gegner.
Auf der einen Seite riesige, martialisch wirkende Polizeiverbände,
die mit Helm, Schild, Schlagstock und Körperprotektoren zwar gut
geschützt, aber eben nicht so beweglich waren, und auf der anderen
Seite Trupps von zwei, drei Vermummten, die durch die Straßen
rannten, Brände legten, Scheiben einschlugen, plünderten und Bürger
in Angst und Schrecken versetzten. Wie verzweifelt muss die
Einsatzführung gewesen sein, dass sie sogar Beamte der
österreichischen Spezialeinheit Cobra ins Schanzenviertel schickte?
Es ist zu befürchten, dass es eine selbstkritische, tiefergehende
Fehleranalyse kaum geben wird. Die Kanzlerin aus der CDU hatte in die
Hansestadt eingeladen, und der Erste Bürgermeister Olaf Scholz von
der SPD hatte die Sicherheit aller Gäste und Bürger garantiert. Jetzt
sitzen die beiden in einem Boot - sonst wäre der politische Aufruhr
ein ganz anderer. Das Versagen der polizeilichen Planer und
Einsatzführer hat nicht nur vielen Hamburgern das Vertrauen in die
Schutzfunktion des Staates genommen. Auch viele Polizisten, die das
alles in vorderster Front ausbaden mussten, fühlen sich verraten.
Etliche hatten Angst. Viele seien 30, 40, ja sogar mehr als 50
Stunden nicht aus ihrer Einsatzmontur herausgekommen und völlig
fertig, berichtet die Gewerkschaft der Polizei. Das alles erträgt man
vielleicht als Polizist, wenn am Ende das Ergebnis stimmt und man
stolz sein kann. Doch so endete der Einsatz in Hamburg bekanntermaßen
nicht. »Ich fühle mich verheizt«, schrieb ein Beamter auf Facebook.
Zwei Tage Sonderurlaub für alle G20-Polizisten - das wäre jetzt das
Mindeste.
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