(ots) - Es ist ein Thema für arbeitsrechtliche
Spezialisten, doch wenn die Lokführer Deutschland wochenlang
lahmlegen oder die Piloten, versteht auch jeder Laie, worum es bei
der Tarifeinheit geht. In den genannten Fällen wurde nicht nur für
soziale Interessen gestreikt. Hier wollten sich kleine Gewerkschaften
profilieren, wollten zeigen, dass sie viel mehr für ihre Mitglieder
herausholen können als die großen DGB-Organisationen. Einzelne
Berufsgruppen hielten die Republik in Geiselhaft für ihre Interessen,
und einzelne Gewerkschaftsführer spielten ihre Macht und manchmal
auch ihre Eitelkeit rücksichtslos aus. Zudem konnte es passieren,
dass in ein- und demselben Betrieb, ja auf der gleichen Dienststelle,
unterschiedliche Löhne und Freizeitregelungen galten, je nach
Gewerkschaftszugehörigkeit. Der Gesetzgeber hat das Recht hier
einzugreifen, hat das Verfassungsgericht am Dienstag bestätigt, und
das ist eine Niederlage für die Kläger. Auch Tarifkämpfe sind nicht
die freie Wildbahn. Sowohl Cockpit bei der Lufthansa als auch die
Lokführergewerkschaft bei der Bahn haben es mit ihren Streiks in der
Vergangenheit übertrieben und so erst den Boden für eine
Gesetzesänderung bereitet. Die Koalitionsfreiheit ist zwar ein
außerordentlich hohes Gut, Paragraf 9 des Grundgesetzes. Sie soll
dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer nicht schutzlos den Arbeitgebern
ausgeliefert sind. Aber sie dient nicht der Profilierungssucht
einzelner Organisationen. Der Betriebsfrieden ist zudem ebenfalls ein
hohes Gut, erst recht der gesellschaftliche Frieden. Wie es aussieht,
wenn die Gewerkschaften ohne solche Regeln schalten und walten können
wie sie wollen, kann man in Frankreich sehen, das durch politische
Streiks und die Aktionen einzelner Berufsgruppen regelmäßig in Atem
gehalten wird und nahezu gelähmt ist. Nach Meinung des
Verfassungsgerichts ist der Gesetzgeber aber beim Austarieren der
Interessen zwischen großen und kleinen Gewerkschaften über das Ziel
hinausgeschossen. Die alte Verbundenheit von Arbeitsministerin Andrea
Nahles mit den großen Industriegewerkschaften hat bei der Abfassung
des Tarifeinheitsgesetzes offenbar allzu stark die Feder geführt.
Bundesregierung und Bundestag müssen nun nachbessern. Nicht nur die
kleinen Spartengewerkschaften sollen zu stärkerer Kooperation mit den
anderen Arbeitnehmerorganisationen gezwungen werden, auch die großen
sollen nachweisen, dass sie die Interessen von einzelnen
spezialisierten Berufsgruppen in den Verhandlungen und danach besser
mitvertreten. Wenn sie das schon immer getan hätten, hätte es den
ganzen Streit nicht gegeben. Karlsruhe verlangt von den
Arbeitnehmerorganisationen Zusammenarbeit und vom Gesetzgeber einen
Rahmen, der diese Zusammenarbeit so fördert, vielleicht auch
erzwingt, dass niemand von vornherein unterlegen ist. Es hat schon
schlechtere Urteile des höchsten Gerichts gegeben. Und leichtere
Aufgabenstellungen der Richter an die Politik.
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